
Zum schiefen Turm von Venedig
Nicht nur Pisa darf sich ob eines schiefen Turms rühmen. Auch Venedig kann mit dieser charmant-zauberhaften Besonderheit aufwarten.
von Ricky Knoll
Sie ist wirklich leicht zu übersehen, die Chiesa di San Giorgio dei Greci, die griechisch-orthodoxe Kirche in Venedig, gelegen im Sestiere Castello. Ich bin sozusagen zufällig an ihr vorbeigestolpert, bei meiner Venedig-Reise im Sommer 2020. Ich wollte die Lagunenstadt unbedingt ohne Massentourismus erleben und habe mir per Internet ein Pensionszimmer vorab gebucht. Im Vertrauen auf Google Maps nahm ich mir nur die ausgedruckte Buchungsbestätigung samt Ministadtplan und Adresse mit. In Venedig angekommen: kein Internetzugang am erst kurz zuvor neu gekauften Handy. Oje.
Grob hatte ich mir wohl die Richtung eingeprägt und wusste, dass ich das Vaporetto an der Station San Zaccaria verlassen musste. Aber dann, hinein ins Gassen- und Gässchengewirr, immer wieder unterbrochen von kleineren und größeren Kanälen, und schon ist es um meine Orientierung geschehen. Nicht nur einmal stehe ich vor einem abgelegenen Wasserweg, wo keine Brücke nach drüben führt.
Erste Ermüdungserscheinungen machen sich bemerkbar, das kleine Straßencafé vor einem Hotel am Fondamenta de l’Osmarin erscheint sehr einladend. Mit dessen WLAN funktioniert auch das Internet wieder. Der digitale Straßenplan verrät, dass es zu Fuß nur acht Minuten bis zur Unterkunft wären. Also, Koffer geschnappt und losmarschiert, bis zur ersten Brücke. Ein dort auf Kundschaft wartender fescher Gondoliere lächelt mich an, als ich den Koffer über die Stufen hieve. Oben angekommen, teilt sich der Weg. Links die Stufen runter und den Kanal entlang? Oder rechts über die andere Brücke?
Davon war doch im Plan keine Rede? Ich entscheide mich für Variante links und marschiere bis ans Ende des Kanals, wo die Straße erneut am Wasser endet. Das kann wohl nicht stimmen, besser ich kehre um. Zurück zur Brücke wieder am Gondoliere (er ist wirklich fesch) vorbei und noch einmal bis zum WLAN-Straßencafé. Dort frage ich den Kellner, ob er zufällig den Weg weiß. Nein, weiß er nicht, auch mit einem brauchbaren Stadtplan kann er nicht aushelfen. Wieder retour zur Brücke, den Koffer die Stufen hinaufgehievt und wieder ratlos, ob rechts oder links. Ich fasse mir ein Herz und frage den immer noch lächelnden und immer noch feschen Gondoliere – Begegnung Nummer 3 –, ob er den Weg weiß.