Unabhängig, mutig, umwerfend ehrlich

 

Wer in die Kultur frecher, aufrüttelnder Femzines eintauchen will, ist bei Elke Zobl richtig. Sie leitet den Programmbereich zeitgenössische Kunst- und Kulturproduktion bei Wissenschaft und Kunst, einer Kooperation von Uni und Mozarteum. Im Rupertinum hat sie queeres und feministisches Publizieren in Kunst und Kultur ins Rampenlicht gerückt.

 

von Michaela Hessenberger

 

Wie erklären Sie den Begriff „Femzine“ jemandem, die oder der noch nie ein Exemplar gesehen oder in den Händen gehalten hat?

Elke Zobl: Das Wort besteht aus zwei Begriffen. Ein Zine ist ein selbst gemachtes und selbst produziertes Magazin. Die Macherinnen verteilen es auch eigenhändig. Fem steht für die feministische Perspektive jener, die solche Medien herstellen, meist sind es junge Frauen. Vorwiegend geht es um die Kritik an Geschlechterrollen und an der Gesellschaft an sich. Zines stehen in der langen Tradition alternativer Medien. 

Alternative Medien sind spätestens seit Donald Trumps „Fake News“-Schreien ein schwieriger Begriff.

Elke Zobl: Das Alternative bei Femzines ist das Unabhängigsein von kommerziellen Strukturen und kapitalistischen Industrien. Die Menschen produzieren Zines ganz unabhängig davon. Ihnen geht es nicht um die Anzahl ihrer Leserinnen und Lesern, sondern um heterogene Sichtweisen.

Ein moderner Trend?

Elke Zobl: Die queer-feministische Bewegung hat immer schon Magazine, Flyer und Pamphlete veröffentlicht, um ihre Rechte einzufordern – analog zu den Wahlrechtsdiskussionen in früheren Jahrzehnten.

Wie entsteht ein Femzine?

Elke Zobl: Unkompliziert. Die meisten Ausgaben werden in sehr kleinen Auflagen kopiert, in Heften zusammengestellt und an Freundinnen weitergereicht oder bei Konzerten verteilt. Manche kann man online bestellen. Man zahlt den Kopierpreis plus Versand. Ich mag es so, Pakete mit Zines aus aller Welt in den Postkasten zu bekommen. Es ist ein unglaubliches Glück, neue Schätze aus Kuverts zu ziehen. Das Überraschende: Trotz des Internets wertschätzt die Szene das handgemachte Produkt total. Es ist fantastisch, mit Femzines im Bett zu liegen oder sie im Bus zu lesen.

Ihr Zugang zu dieser Kultur?

Elke Zobl: Ich komme aus der Kunst, mein Hintergrund ist in der Bildhauerei und in der Bildnerischen Erziehung. Fünf Jahre habe ich in San Diego, Kalifornien, gelebt, zu alternativen Medien geforscht und meine Dissertation geschrieben. Meinen Fokus habe ich auf Zines gelegt, weil mich diese selbst gemachten Magazine fasziniert haben. Ich habe genau hingeschaut, wie Frauen im Kunstbetrieb über die Form der Selbstpublikation einen alternativen Raum zu herkömmlichen Galerien finden. Eine Freundin hat mir mein erstes feministisches Zine geschenkt und so bin ich eingetaucht in die Welt der „Grrrl Zines“. Die drei „rrr“ stehen für das Widerständige.

Welche Länder sind federführend in Sachen Feminzes?

Elke Zobl: Diese Gattung wird tendenziell dem englischsprachigen Raum zugeschrieben. Als ich um das Jahr 2000 meine Forschung gestartet habe, ging ich mit genau dieser Wahrnehmung ins Feld. Doch als ich zu recherchieren begonnen habe, folgte das Erstaunen über die weltweite Verbreitung. Zines haben in Südamerika zu einer großen Kultur gefunden, die sehr aktiv ist. Es gibt sie auch in Ländern, in denen ich sie nicht erwartet hätte; in den Arabischen Emiraten etwa. Die Zine Distro, die ich von dort kannte, gab es nur ganz kurz. Eine Herausforderung auf diesem Gebiet sind die Sprachen – und die Hefte überhaupt zu finden. Ich habe viele Briefe geschrieben und ein paar Dollar in den Umschlag hineingesteckt. Heute ist es dank E-Mail leichter geworden, an Hefte heranzukommen. 

Ist Österreich ein Femzine-Land?

Elke Zobl: Die Szene ist inzwischen in der Tat sehr lebendig. In Wien gibt es immer wieder Zine-Feste und -Festivals. In Salzburg machen wir Workshops in meinen Lehrveranstaltungen und so zirkulieren ein paar Ausgaben immer irgendwo. 

Wie weit dürfen Zines inhaltlich gehen?

Elke Zobl: Sie können sehr weit gehen, denn sie sind frei von Kontrolle, Zensur und einer Redaktion. Im Grunde dürfen sie also alles, denn die Macherinnen wollen selbstbestimmt Empowerment erfahren. Es gibt auch keine Vorschriften, was am Cover sein muss und wie es gestaltet sein soll. Manche Frauen publizieren mit Pseudonym. Standards werden hinterfragt und es geht weg von kommerziellen Strukturen in der Kultur. Eine professionelle Ausbildung ist keine Voraussetzung. Hauptsache, man findet einen Kanal, um seine Gedanken nach außen zu tragen. Doch wir dürfen uns bewusst machen, dass es Zines zu nahezu jedem Thema gibt. Rechtsradikales inklusive.

Wie viele Exemplare besitzen Sie?

Elke Zobl: Die Sammlung, die ich in San Diego gestartet habe, umfasst an die 2300 Exemplare – und es kommt laufend Neues dazu. Inzwischen ist in Salzburg eine Toolbox entstanden, die sich Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausborgen können. Darin stecken Zines und Anleitungen für Workshops zum Nachmachen.

Zeichnen Sie selbst? 

Elke Zobl: Ja, ich habe ein Femzine herausgegeben. Auch das Lesen freut mich sehr. Ich habe da so einige Herzstücke, die wahre handkolorierte Schätze sind. Ein Zine habe ich von einer Frau in den USA bekommen, die bei den Mormonen aufgewachsen ist und nachzeichnet, welche Gedanken sie sich gemacht hat, als sie sich langsam von dieser Gemeinschaft gelöst hat. Mit allen Schwierigkeiten, die so ein Cut mit sich bringt. 

Was macht ein wertvolles Produkt aus?

Elke Zobl: Sehr viele Zines gehen sehr kreativ mit Gestaltungsformen um. Sie hinterfragen Bilder aus der Werbung, verzerren Geschlechterbilder. Für mich wird es spannend, wenn es um Subversion geht und um die Kritik an gesellschaftlichen Bildern. Collagen tauchen oft auf. Ich schätze an Femzines, dass ich ungefiltert erfahre, was wir im Mainstream gar nicht mitbekommen.

Wie spielen Bild und Sprache zusammen?

Elke Zobl: Gerade in den Collagen ist das ein großer Faktor, wie Bild und Sprache zusammengesetzt werden. Es gibt ein australisches Zine mit Modelgesicht und einem Spruch, der umgekehrt wird. Eine Frau hat gefragt, wie viele dünne, bearbeitete Models man noch aushält. Das ist das Potenzial der „Grrrl Zines“.

Wo gibt es in unserer Umgebung coole Femzines – oder bleiben nur Onlinebestellungen?

Elke Zobl: Mein erster Tipp ist das Grrrl-Zine-Archiv an der Uni Salzburg. Bei GendUp im Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung können Neugierige in diese faszinierende Welt eintauchen. Bei mir im Büro gibt’s besagte Toolbox zum Ausborgen. Ansonsten ist es das Wesen von Zines, keine zentrale Anlaufstelle zu haben. Auf die Suche würde ich mich in der Stadt im Kulturzentrum MARK machen.