Es tut sich etwas, weil sich etwas tun muss!
Die Wiener Journalistin und Historikerin Vanessa Spanbauer setzt sich seit Jahren in unzähligen Projekten gegen Diskriminierung und für eine gerechtere Gesellschaft ein. Ihr Credo: Man kann nur dann etwas verändern, wenn man Dinge anspricht, Diskussionen und Gespräche in Gang bringt, gut zuhört und sich selbst immer wieder hinterfragt.
Titelinterview mit Vanessa Spanbauer
von Monika Pink-Rank
Frau Spanbauer, was assoziieren Sie mit „bunt“?
Vanessa Spanbauer: Die erste Assoziation sind Buntstifte für mich – und Zeichnen und Malen. Aber je nach Stimmungslage kann das Verschiedenes bedeuten.
Ist Österreich bunt genug?
Vanessa Spanbauer: Kommt darauf an. In einigen Bereichen ja, in sehr vielen nicht. Ich tu mir ein bisschen schwer mit dem Begriff „bunt“ in Bezug auf Vielfalt in der Gesellschaft, das finde ich dann immer zu lieblich. Denn unsere Gesellschaft ist zwar vielfältig, aber sie wird in vielen Bereichen nicht so gesehen. Da wird dann versucht zu verhindern, dass Menschen in Positionen kommen, wo diese Vielfalt abgebildet werden könnte – sei das medial, sei das politisch, sei das in Ämtern, im Bildungsbereich und vielen mehr.
Wann wird es Ihnen zu bunt?
Vanessa Spanbauer: Mir wird es zu bunt, wenn ich daran denke, dass wir als Gesellschaft gerne irgendwo stehenbleiben und auf die „schöne Vergangenheit“ und die „Goldenen Zeiten“ und Traditionen zurückblicken. Ich frage mich dann oft: Für wen sollen die schön gewesen sein? Denn bei sämtlichen Themen, mit denen ich mich auseinandersetze – also zum Beispiel Frauenrechte, Minderheitenrechte, Rassismus –, habe ich nicht das Gefühl, dass früher etwas besser war. Diese Verklärtheit und Verträumtheit kann ich nicht nachvollziehen und ich finde sie nicht angebracht.
Aber als Historikerin sind Sie ja per se mit Geschichte und Vergangenheit konfrontiert, oder?
Vanessa Spanbauer: Ja, aber mich stört es, dass Geschichte meist nur aus der einen Perspektive gesehen wird: männlich, heterosexuell, ohne Migrationshintergrund, weiß und ohne Behinderung. Hier versuche ich im professionellen Rahmen Argumente dagegen aufzustellen und andere Perspektiven aufzuzeigen.
Wie machen Sie das genau?
Vanessa Spanbauer: Ich bin zum Beispiel bei einem Projekt dabei, wo es um die Aufarbeitung von kolonialen Objekten in den österreichischen Bundesmuseen geht. Wir untersuchen, welche Spuren die Kolonialzeit in Museen hinterlassen hat – und auch, wie man damit umgeht. Denn oft hört man: „Wir hatten ja keine Kolonien“ und das Thema ist erledigt. Doch dem ist nicht so, das ist auch für uns eine ganz spezielle Vergangenheit, die in die Gegenwart hineinwirkt. Vieles – und auch die Entstehungsgeschichte von Museen – hat seinen Ursprung in kolonialen Tendenzen.
Inwiefern?
Vanessa Spanbauer: Museen sind ja meist dadurch entstanden, dass man etwas gesammelt hat, was man nicht so gut kennt: Pflanzen, Tiere und Gegenstände, oft aus außereuropäischen Gebieten. Die Blickwinkel und Denkmuster, mit denen wir darauf schauen, stammen noch aus der Zeit und sind nie aufgearbeitet worden. Sie durchziehen sämtliche Dinge, die wir so machen. Wie wir Schwarze Menschen wahrnehmen, hat sehr viel damit zu tun. Die Leute, egal in welchem Beruf sie arbeiten, sind nicht davor gefeit, die Bilder weiterzuvermitteln, die sie in sich aufgenommen haben – natürlich auch in Museen. Ich arbeite in der Gruppe mit, die das Technische Museum Wien untersucht. Der Forschungsbericht wird im November fertig sein.
In welchen Bereichen tragen Sie noch dazu bei, diese Denkmuster aufzuzeigen?
Vanessa Spanbauer: Im Projekt „Advancing Equality within the Austrian School System“, wo es um den Bildungsbereich und das Afrikabild in Schulbüchern geht. Wir sind ein interdisziplinäres Team aus der Wissenschaft, dem pädagogischen Umfeld und der Medienbranche.
Im Projekt werden einerseits Schulbücher wissenschaftlich evaluiert mit dem Ziel, sie gemeinsam mit Schulbuchverlagen zu überarbeiten. Andererseits geht es aber – weil Schulbücher lange im Umlauf sind – auch da-rum, wie Pädagog*innen mit Inhalten umgehen und sie weitervermitteln können, ohne gewisse Bilder zu reproduzieren.
Welches Afrikabild findet sich derzeit in Schulbüchern?
Vanessa Spanbauer: Es wird in eine sehr bestimmte Richtung gedacht und ein verfälschtes Bild von einem Kontinent geprägt von Armut, Krieg und Hunger gezeichnet. Das zieht sich quer durch die Schulbücher, genauso wie rassistische Darstellungen und Texte. Uns geht es darum, andere Geschichten und Inhalte zu erzählen. Sichtbar zu machen, wie der Kontinent war, bevor Europa ihn kolonialisiert hat, und welches Wissen oft verloren gegangen ist.
Wie können Sie Pädagog*innen dabei unterstützen?
Vanessa Spanbauer: In erster Linie, indem wir ihnen vor Augen führen: Was sind die Bilder, die bestehen, und wie kann man diese auflösen? Wie kann man sie in Kontexte setzen und damit arbeiten? Dazu bieten wir Workshops an, in denen wir diese Bilder und Inhalte dekonstruieren, aber auch mit „Retelling stories“ oder „Re-imagining Africa“ alternative Wege aufzeigen. Immer wieder veranstalten wir auch (Online-) Diskussionen zu diesen Themen.