Du gibst Menschlichkeit, du kriegst Menschlichkeit
Bis vor kurzem brachte er als Saunameister die Menschen zum Schwitzen, seit Herbst letzten Jahres macht Wayne Dobritzhofer eine Ausbildung zum Sozialbetreuer. Was beide Berufe mit Wärme zu tun haben, wie sehr ihm die Arbeit mit Menschen Spaß macht und warum ihm eine gewisse Leichtigkeit bei allem hilft, erzählt der 28-jährige Gollinger im Apropos Interview.
Titelinterview mit Wayne Dobritzhofer von Monika Pink-Rank
Herr Dobritzhofer, ab wann wird es für Sie warm?
Ich habe jetzt natürlich ein ganz anderes Empfinden, weil sich der Körper bei der Arbeit in der Sauna schnell an die warmen Temperaturen gewöhnt. Also 60 Grad gehen gut, aber natürlich kommt es auf die Luftfeuchtigkeit an. Die ist essenziell dafür, wie erträglich die Temperatur ist.
Und was verbinden Sie mit „Wärme“?
Für mich ist das zuallererst Wohlbefinden, Entspannung, Aufblühen. Aber mit Wärme verbinde ich in der Branche, in der ich gearbeitet habe, auch Kreativität. Denn die Sauna war wie eine Bühne.
Wie kann ich mir das vorstellen?
Wir Saunameister haben da schon einiges aufgeführt, was ins Künstlerische gegangen ist. Die Tätigkeit darf man sich nicht so plump vorstellen, bei den Aufgüssen ist zum Teil auch eine künstlerische Entfaltung dahinter. Man kann Musik spielen, die man sich selber wählt, und es sind auch elegante Bewegungen dabei. Da gibt es beleuchtete Handtücher, Effektfeuer, ganz feine Tropengüsse mit einem Gartenschlauch, da ist der Kreativität keine Grenze gesetzt. Es gibt nichts, was man nicht machen kann in der Sauna!
Also braucht es auch Show und Spektakel in der Sauna und nicht nur Ruhe?
Wenn man diesen feinen Grat hinbekommt, dass man zusätzlich zur Entspannung ein bisschen ein Ereignis fürs Auge gleichzeitig machen kann, dann spricht sich das herum. Wenn man eine gute Show auch noch liefert, dann hat das auch seine Wirkung. Bei den Aufgussmitteln hingegen haben die Leute die Naturaufgüsse am meisten genossen. Natürlich hatten wir jede Menge Duftöle und Stoffe, aber am beliebtesten waren einfache Aufgüsse wie zum Beispiel mit Kamillentee oder Pfefferminztee, wo die Kräuter ihre wohltuende Wirkung entfalten können.
Was sind die eigentlichen Beweggründe, warum Menschen die Wärme suchen und dem Saunakult frönen?
Ich glaube, da gibt es eine körperliche und eine psychische Komponente. Für viele ist die Sauna ihr Garten Eden, dort finden sie Ruhe. Jeder von uns Menschen hat seinen eigenen kleinen Garten Eden. Doch es gibt Menschen, ich nenne sie die Hardcore-Saunagäste, die sagen, sie kommen nur zu dieser inneren Ruhe und zum Abschalten, wenn sie saunieren gehen. Außerdem ist die Sauna ein Ort, wo man soziale Wärme spürt, das gemeinsame Genießen, das Teilen der Erholung. Wenn man sich wo wohlfühlt, dann öffnet man sich, zeigt Verletzlichkeit. Auch dieses Gefühl zusammen zu erleben ist ein schönes Erlebnis.
Und die körperliche Komponente?
Wo man hohe Wärme hat, aber dann auch die Abkühlung, fühlt man sich lebendig und gleichzeitig entspannt. Natürlich fordert dieser Wechsel den Körper, aber auf eine erholsame, energiebringende Weise. Wenn der Luftschwall beim Aufguss auf die Haut trifft, entwickelt man einen Gänsehaut-Effekt, den man normalerweise nur bei Kälte spürt. Die Luft ist zwar heiß, aber der Körper empfindet Wind als kalt, deswegen ist das eine gewisse Sensation für den Körper. Das ist das unvergleichliche Gefühl in der Sauna.
Es gibt ja in vielen Kulturen Schwitzrituale, welche Funktion haben sie?
Schwitzen ist prinzipiell eine Art der Entgiftung, man gibt sehr viele Giftstoffe über die Haut ab. Eigentlich ist es simpel, aber die beste Medizin und das beste Fundament: Du nimmst Wasser zu dir, du schwitzt es raus, du fühlst dich wirklich gereinigt und entschlackt. Diese Praxis gibt es schon immer, aber sie ist mit der Zeit mehr und mehr ausgebaut und modernisiert worden.
Bis hin zum Beruf des Saunameisters – wie wird man das eigentlich?
Bei mir war es Zufall. Ich neige dazu nicht zu wissen, was ich am nächsten Tag mache. Genau diese Lebensphilosophie hat mich dazu gebracht. Die Leute haben zu mir gesagt: „Wayne, du hast halbwegs ein Auftreten, du kannst dich ausdrücken, hast du Interesse?“ Ich habe mir das angeschaut, nach kurzer Zeit hat es gepasst, die Leute waren zufrieden und dann hab ich das gemacht. Ich bin angelernt worden und ich kann nur sagen: Der Beruf ist ganz anders, als man es sich vorstellt. Da steckt viel mehr dahinter, als man glaubt. Und es ist wie in jedem Beruf, den du gern ausübst: Du willst du dich weiterentwickeln und entfalten und schauen, was du noch alles machen kannst.
Aber es ist nicht nur Handwerkszeug, das man braucht, oder? Schließlich menschelt es ja sehr in der Sauna…
Absolut! Man hat Interaktionen mit Leuten, die man im normalen Leben nicht hat. Man lernt so viel verschiedene Persönlichkeiten kennen und lernt auch soziale Kompetenz. Und man ist auch zuständig fürs gute Miteinander, denn Konfliktpotenziale gibt es genug. Eigentlich wäre es so einfach, wenn jeder ein bisschen dafür sorgen würde, dass alles gut funktioniert. Aber leider schaffen es die Leute noch nicht, sich zusammenzuraufen Da entwickelt man eine gewisse Autorität, sonst steht man an. Denn du bist für die Entspannung verantwortlich und da gehört eine gemeinsame, gute Atmosphäre dazu. Und man lebt das so richtig, weil man sich selber als Werkzeug zur Entspannung für die Leute sieht. Wenn du dann entspannte Menschen vor dir hast, merkst du, du hast es richtig gemacht. Das verbindet auch.
Was war Ihre lustigste Begebenheit als Saunameister?
Wir haben einen russischen Aufguss mit Birkenzweigen gemacht. Die haben wir in Wasser eingeweicht und mit Birkentee aufgegossen, und haben dann auch mit diesen Birkenzweigen gewedelt. Nach dem Aufguss bin ich vor der Sauna gestanden und eine Dame, ganz eine alte, gebrechliche, liebe Frau, hat dann zu mir ganz süß gesagt, ich erinnere sie ein bisschen an einen afrikanischen Medizinmann. Für mich ist das eine besonders lustige Erinnerung.
Da hatte ich auch ein Erlebnis in einer russischen Banja! Eine Einheimische hat uns fachkundig mit den Birkenruten „massiert“, ein schmerzhaft-schöner Genuss …
Das haben wir auch gemacht. Das hat schon seinen Sinn, durch das Schlagen wird die Haut durchblutet, du filterst die Öle von der Birke richtig gut heraus, durch die Wärme öffnen sich die Hautporen und die Birke hat ja super Attribute wie entwässernd und entzündungshemmend. Das schaut natürlich lustig aus, wenn man es nicht kennt, aber was das betrifft, wissen die Russen, was sie machen.
Was hat Ihnen an der Arbeit in der Sauna am besten gefallen?
Ich habe es geliebt, zeremonielle Ruhe in meinen Aufgüssen zu haben. Es hat etwas Besonderes, wenn du acht Minuten lang in einem Raum bist, wo Totenstille herrscht, die Leute alle mit geschlossenen Augen. Wann hat man sonst am Tag einmal acht Minuten komplette Ruhe, das hast du sonst nirgendwo! Das ist einfach was Spezielles, diese Atmosphäre. Auch ich habe mir da meine Ruhe geholt. Das habe ich geliebt!
Trotzdem haben Sie diesen Beruf an den Nagel gehängt – wie kam das?
In einer Zeit der großen Veränderung durch Corona ist die Veränderung auch bei mir eingekehrt. Ich war lange in der Kurzarbeit, wir hatten kaum Arbeit. Es war auch eine hektische Zeit, man hat es an den Leuten gespürt. Da habe ich gewusst, ich muss etwas ändern, das passt für mich nicht mehr. Vorher habe ich den Leuten Wärme in der Sauna beschert und jetzt versuche ich, soziale Wärme zu vermitteln.
Wie sind Sie darauf gekommen, in die Behindertenarbeit zu wechseln?
Ich habe vorher schon gesagt, ich weiß nie, was ich am nächsten Tag mache. Das war eine ganz spontane Entscheidung. Ich bin beim AMS gesessen, die Dame hat gefragt, was ich machen will. Und ich habe aus dem Bauch heraus gesagt, dass ich schon immer an der Arbeit mit beeinträchtigten Menschen interessiert war. Sie war Feuer und Flamme, hat gemeint, das brauchen wir – und dann ist es ganz schnell gegangen. Ich habe ein Praktikum gemacht im Provinzenz in Liefering, dort gibt es Wohngemeinschaften mit Betreuung und ein Tageszentrum. Ich habe für mich gemerkt: Es passt! Sie haben auch gemerkt, dass es passt, und mir angeboten: „Wenn du willst, kannst du wieder zu uns kommen.“ Das habe ich einfach gemacht, das Provinzenz hat mich als Schüler übernommen.
Sie machen eine berufsbegleitende Ausbildung, wie läuft das ab?
Ich arbeite ganz normal und nebenbei mache ich eine zweijährige Ausbildung zum Fachsozialbetreuer mit Schwerpunkt Behindertenarbeit an der Schule für Sozialbetreuungsberufe des Diakoniewerks Salzburg. Ich habe ein bis zwei Tage Unterricht und arbeite ein bis zwei Tage jeweils von 7 bis 19 Uhr, Nachtdienste habe ich während der Ausbildung noch keine. Das Herausfordernde ist die Schule, es ist ein anspruchsvoller Zeitrahmen und es ist viel medizinisches Wissen zu lernen. Die Arbeit gefällt mir gut, aber mit Schule und Arbeit und Lernen sind die Tage ganz schön ausgefüllt.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag im Provinzenz aus?
Das Schöne am Menschen ist, es gibt nie einen typischen Arbeitstag, weil das immer von unserer Tagesverfassung abhängt! Aber ein „typischer“ Arbeitstag ist Frühstück vorbereiten, auf die menschlichen Bedürfnisse schauen, auch hygienetechnisch, da unterstützt man oder übernimmt die Pflege. Bis man damit fertig ist und geschaut hat, dass jede Person das kriegt, was sie braucht, geht es schon Richtung Mittagessen. Am Nachmittag ist es dann so, dass wir gewisse Beschäftigungen machen wie Spazierengehen, Spiele spielen. Im Endeffekt einfach nur da sein, ist das Schöne am Beruf. Es reicht oft im Leben, einfach nur da zu sein. Dann geht es langsam aufs Abendessen zu. Das alles hört sich nicht spektakulär an, aber es ist ein Erlebnis, weil man viele Charaktere um sich hat.
Wie können Sie dort Wärme vermitteln?
Das sind ganz kleine Sachen wie Aufmerksamkeit! Das ist gar nicht so komplex, wenn man selber nur Mensch ist. Du gibst Menschlichkeit, du kriegst Menschlichkeit. Du bist nah an den Leuten. Diese Arbeit muss ich nicht schönreden, weil es eine schöne Arbeit ist.
Wie sind Sie von den Bewohner:innen aufgenommen worden?
Sehr herzlich und ich weiß nicht, wie ich sagen soll … so ganz ohne Vorurteile! Sie leben den Moment und deswegen ist das eine so positive Erfahrung der Wertschätzung ohne Hintergedanken: Du wirst einfach so angenommen, wie du bist. Und im Gegenzug nimmst du so an, wie der oder die andere ist. Ich muss mich nicht bemühen, irgendwas abzuliefern oder irgendwas darzustellen, was ich nicht bin. Das ist das Schöne, dass ich das zu meiner Arbeit gemacht habe, so sein zu können, wie ich bin. Es gibt keinen Filter, du verstellst dich nicht.
So sein können wie Sie sind – wie sind Sie denn?
Ich bin gern sehr herzlich und freundlich. Aber das ist nicht immer möglich im Leben, ich bin oft dafür kritisiert worden, dass ich Sachen mit einer gewissen Leichtigkeit mache und nicht ernst nehme. Doch ich kann eine Sache sehr ernst nehmen und trotzdem eine Leichtigkeit vermitteln! Denn es geht um die menschliche Ebene: Wer genießt es nicht Leute um sich zu haben, die eine gewisse Lockerheit ausstrahlen? Das genießt man, egal in welcher Situation man sich da befindet – so geht es mir zumindest.
Was schätzen Sie noch an Ihrer Arbeit abgesehen davon, dass Sie Ihr authentisches Ich zeigen dürfen?
Ich bin ein Mensch, der sehr viel nachdenkt und selbst reflektiert. Ich hole mir meine Ruhe, wenn ich rückwirkend auf die positiven Erlebnisse vom Tag schaue. Für mich ist es eine Arbeit, die einen auf gute Art und Weise zum Nachdenken bringt und definitiv eine Charakterentwicklung nach sich zieht. Egal, ob ich das mein Leben lang mache und darauf zurückschaue, oder ob ich es nur eine Zeitlang gemacht habe: Es ist eine Zeit, wo ich sage, da hat bei mir eine Entwicklung stattgefunden, und das war wertvoll und sinnvoll.
Was sehen Sie für Parallelen zwischen dem Leben als Saunameister und jetzt?
Eine Parallele ist, dass ich versuche Ruhe und Lockerheit auszustrahlen. Das habe ich in der Sauna gemacht, das mache ich im Provinzenz auch. Da wie dort ist der menschliche Aspekt ein großer. Doch egal ob in der Sauna oder in der Behindertenarbeit gibt es auch Regeln, und manchmal muss man den Leuten gewisse Grenzen aufzeigen. Das ist pädagogisch wertvoll, überall im Leben. Das ist auch eine Parallele.
Welche Einstellung hilft Ihnen durchs Leben zu gehen und woher kommt sie?
Ich nehme mich selber gar nicht so ernst – vielleicht sollten wir alle ab und zu aktiv probieren, dass wir uns selber nicht so ernst nehmen, denn dann würden uns viele Sachen leichter fallen! Dass ich zu dem Wayne geworden bin, der ich heute bin, dafür ist meine Großmutter Eva mitverantwortlich. Sie hat mich aufgezogen und war für mich da, als kein anderer da war. Dafür bin ich ihr unendlich dankbar und werde sie nie vergessen.