
Jung, engagiert und bereit fürs Ausland
Nicht Geld, sondern Erfahrung ist die Währung bei freiwilligen internationalen Arbeitseinsätzen. Auch die Salzburger Organisation INTERSOL vermittelt Plätze.
von Georg Wimmer
Arbeiten nicht zum Geldverdienen, sondern um seinen Horizont zu dehnen. Und das im Ausland. 250 junge Menschen aus Österreich haben im vergangenen Jahr einen freiwilligen Auslandsdienst angetreten. Zum Teil als Ersatz für den Zivildienst, zum Teil als freiwilliges soziales Jahr. Erwartet wird von allen die Fähigkeit, eigenständig zu arbeiten, und Flexibilität. „Sie haben mir zuerst alles gezeigt und dann haben sie mich gefragt, was ich gerne machen würde“, erzählt Julia Emminger über ihren Einsatz bei einer Behinderteneinrichtung in der bolivianischen Kleinstadt San Ignacio de Velasco. Emminger wollte nach ihrem Studium der Sozialen Innovation an der FH Salzburg eigentlich ein Auslandssemester mit Praktikum machen. Eine Professorin gab ihr den Tipp, sich an Hans Eder zu wenden. Der hat als Direktor des Salzburger Vereins INTERSOL schon viele Auslandseinsätze eingefädelt. Weil sich Emminger in ihrer Masterarbeit mit der Stärkung von Menschen mit Behinderung befasst hatte, lag es auf der Hand, dass sie in diesem Bereich arbeiten würde. Hans Eder hatte Kontakt zu einem entsprechenden Projektpartner, und so verschlug es die heute 28-Jährige ins flache bolivianische Tiefland. Dort betreut die Organisation Fassiv an mehreren Standorten über 350 Menschen mit Behinderungen. Was vor Ort am dringendsten gebraucht wurde, war dann eine Fachkraft für den Bereich Grafik, Video, Social Media. Emminger hat auch dazu schon eine Ausbildung absolviert und sagte zu. Drehte Interviews für Facebook und Insta oder für eine Sensibilisierungskampagne einmal ein längeres Video, das im lokalen Fernsehen zu sehen war. Ihre Beiträge fanden Anklang. Bald kam eine Anfrage nach der anderen aus allen möglichen Teilen der Organisation.
„Wir bieten jungen Leuten, die selbst noch lernen, die Möglichkeit, eine fremde Kultur kennenzulernen und das in Verbindung mit einer sinnvollen Tätigkeit“, sagt Hans Eder. Seine Organisation INTERSOL betreibt mit lokalen Partnern verschiedene Gemeinwohl-Projekte, vor allem in Bolivien, El Salvador, Guatemala und Indien, und ist eine vom Sozialministerium anerkannte Organisation für Auslandseinsätze. Bevor es richtig losgeht, gibt es meistens zwei Monate Sprachkurs, der Einsatz selbst dauert in der Regel acht Monate. „Wichtig ist, dass die Leute eine bestimmte Kompetenz mitbringen“, sagt Eder. Gute Erfahrungen hat man mit HTL-Absolventinnen gemacht, die in Bolivien in Solar-Projekten tätig waren. INTERSOL unterstützt nicht nur die Erzeugung von Sonnenstrom, sondern ebenso den Bau von Solarpumpen zur Bewässerung von Gemüsegärten. Im mittelamerikanischen Land El Salvador wiederum konnten Absolventen der landwirtschaftlichen Fachschule Ursprung in einem Projekt zur Bewahrung von regionalem Saatgut mitarbeiten. Hans Eder selbst besucht seine Projektpartner einmal im Jahr, die laufende Betreuung der Personen im Einsatz erfolgt in-zwischen häufig über Zoom. So gibt es rasches Feedback zu Fortschritten und den täglichen Herausforderungen. Die lauten oft: mit den vorhandenen Ressourcen zurechtzukommen, ohne die Nerven wegzuschmeißen. Wenn wegen Trockenheit der Strom ausfällt oder wenn in der Regenzeit Straßen überflutet sind. Wenn in einer Schule Bücher oder Stifte fehlen. Wenn man für eine Handyreparatur acht Stunden im Nachtbus in die nächste Stadt fahren muss. Menschen in einem Land mit unverlässlicher Infrastruktur müssen Gelassenheit lernen. Warten gehört in allen Lebenslagen dazu. Das berichten fast alle, die von einem Einsatz zurückkommen. Den Ruf „Zweite Kassa, bitte!“ hat man in ganz Bolivien noch nicht gehört.
Der Abstand zum gewohnten Alltag verändert Sichtweisen auf die Welt, die jemand bis dahin für die einzig möglichen gehalten hat. „Das Leben in einem fremden Land hat zur Folge, dass man die eigene Kultur zu hinterfragen beginnt“, sagt Jakob Gartner aus Salzburg. Der heute 26-jährige Student an der Diplomatischen Akademie landete durch Zufall ebenfalls im Städtchen San Ignacio de Velasco. Gartner wollte nach der Matura an der Tourismusschule Klessheim seinen Zivildienst im Ausland leisten. Er kam über eine Organisation der Vorarlberger Caritas nach Bolivien. Dort vermittelte er in einer Schule jungen Erwachsenen und Kindern ab 12 Jahren Grundlagen der EDV. Word, Excel, Powerpoint. Dank einer Spende aus Österreich gab es in der Schule sogar zwölf neue Computer. Wichtige Vokabeln für den Unterricht musste sich Gartner über YouTube-Videos noch aneignen, obwohl er in Klessheim schon fünf Jahre Spanisch gelernt hatte. Neben dem Unterricht war Gartner jeden Montagmorgen, wenn die Jugendlichen vor der Schule zum Absingen der Landeshymne angetreten waren, für die Technik zuständig. Die bestand aus einer wackeligen Tonanlage, die schon mehr als 30 Trocken- und Regenzeiten getrotzt hatte. „Ich hatte jedes Mal Stress, ob das funktioniert. Aber die Leute haben gesagt: Wenn es einmal nicht funktioniert, dann sorgen wir eben dafür, dass es funktioniert.“
Auch Lisa Mudra lernte bei ihrem Auslandseinsatz rasch, sich auf die örtlichen Gegebenheiten einzustellen. Sie war ebenfalls über INTERSOL bei der Behinderteneinrichtung Fassiv in San Ignacio tätig. Als Tanzlehrerin. „Jede Gruppe ist einmal in der Woche zu mir gekommen. Wir haben Übungen gemacht, um die Selbstwahrnehmung und bestimmte Körperpartien zu aktivieren.“ Etwa mit gezielten Übungen für Nacken, Rumpf, Arme oder Beine. Daneben studierte die FH-Absolventin mit Menschen aller Altersgruppen Choreografien für Feste und Veranstaltungen ein. Für Lisa Mudra war das Gefühl wichtig, dass sie und ihre Projektpartner gleichermaßen von diesem Auslandseinsatz profitieren. „Es war jedenfalls das Geld wert“, sagt die Mondseerin. In ihrem Fall übernahm das Sozialministerium nur die Kosten für den Sprachkurs in Bolivien. Weitere 4000 Euro für ihren Auslandseinsatz zahlte sie aus der eigenen Tasche.
Der Österreichische Auslandsdienst
Unter dem Auslandsdienst sind drei Möglichkeiten zusammengefasst, unter denen Österreicher:innen internationale Personaleinsätze leisten können: zum einen als Friedensdienst, als Gedenkdienst oder als Sozialdienst. Junge Männer können ihren Zivildienst auch als Sozialdienst im Ausland leisten. Die Einsätze dauern zwischen sechs und zwölf Monaten und können nur über Organisationen abgewickelt werden, die vom Sozialministerium anerkannt sind. Den Auslandsdienst gibt es seit dem Jahr 1998.
www.freiwilligenweb.at/freiwilligenjahr
www.intersol.at
www.auslandsdienst.at