Wenn das eigene Kind verstirbt

Echte Stille kann etwas wunderbar Befreiendes mit sich bringen. Sie kann uns den Raum geben, den wir brauchen, um wieder zu uns zu finden. Gerade in hektischen Zeiten sehnen wir uns nach Stille, unsere Sinne sind schlichtweg überfordert von der permanenten Reizüberflutung. Doch es gibt da auch diese schmerzende Stille. Etwa, wenn ein geliebter Mensch nicht mehr da ist und seine Worte, sein Dasein, seine Geräusche einfach fehlen. Wir alle wissen: Abschiede gehören zum Leben dazu und so unvorhersehbar das Leben auch sein mag, der Tod begrenzt unser aller Sein. Wir können mit dieser schmerzlichen Tatsache hadern, können uns davor fürchten, sie verdrängen, daran verzweifeln. Doch wenn wir unser Leben weiter leben möchten, durchleben wir auf ganz persönliche Weise einen Trauerprozess, um danach langsam, Schritt für Schritt wieder zurück zu kommen in die alte, neue Welt, in der ein wichtiger Teil fehlt. So schmerzhaft ein Verlust eines lieb gewonnenen Menschen ist, wir wissen: Der Tod gehört zum Leben dazu.

Wenn das eigene Kind verstirbt, bleibt Ohnmacht zurück. Der Schmerz, den dieser Verlust hinterlässt, ist unermesslich. „Stirbt ein Kind vor seinen Eltern, dann ist das gegen die natürliche Entwicklung“, erklärt Silvia Dovits. Die Klinische Psychologin und Systemische Familientherapeutin ist seit mehr als zehn Jahren für die Salzburger Kinderkrebshilfe tätig. „Eltern haben oft das Gefühl, ihrer Aufgabe nicht gerecht geworden zu sein: Ihr Kind beim Aufwachsen zu begleiten und es zu beschützen.“

Nach dem Tod des eigenen Kindes durchlebt jedes Familienmitglied einen sehr individuellen Trauerprozess. „Wir sprechen heute von Traueraufgaben“, erklärt die Betroffenen-Expertin. „Der Trauerweg findet niemals linear statt, vielmehr werden manche Traueraufgaben mehrmals durchlebt.“ Zu diesen Aufgaben gehört es, den Verlust des geliebten Kindes zu begreifen, die heftigen Emotionen zu erleben und mit ihnen umgehen zu lernen und das Geschehene zu akzeptieren. Eine wichtige Traueraufgabe besteht darin, einen (inneren oder äußeren) Ort für die Trauer um ihr verstorbenes Kind zu finden. „Trauer hat in unserer Gesellschaft keinen Platz“, sagt ein betroffener Vater. Nach dem Tod des Kindes reagiert das Umfeld erst hochsensibel und zurückhaltend, bald wird jedoch kaum mehr darüber gesprochen. Familienmitglieder, Arbeitskollegen und Bekannte sind meist überfordert und wissen nicht, wie sie mit diesem schwierigen Thema umgehen sollen. Betroffene fühlen sich häufig alleine gelassen.

In der Trauergruppe, die Silvia Dovits auf der Sonneninsel Seekirchen leitet, finden Eltern und Geschwisterkinder Raum für ihre Trauer. „Die innere Beziehung bleibt auch über den Tod hinaus bestehen“, weiß die Therapeutin. In regelmäßigen Abständen treffen sich Familien aus ganz Österreich, um über ihr verstorbenes Kind zu sprechen. Hier finden Menschen zusammen, denen „das Leben die gleiche Aufgabe gestellt hat.“ Innerhalb der Gruppe gibt es ein starkes Wir-Gefühl und viel Platz für alles, was kommt. Ein Schwerpunkt ist auch die Frage „Wie werden wir wieder eine Familie“? Für die meisten Eltern ist dies der einzige Ort, an dem sie wirklich offen trauern können. Die Eltern sind als Betroffene selbst die Experten, Silvia Dovits bereitet ihnen einen sicheren Raum, um sie auf ihrem Trauerweg zu unterstützen und sie für den Alltag zu stärken. Still ist es selten bei diesen Treffen. Vielmehr ist die Freude an die gemeinsamen Erlebnisse und Erinnerungen allgegenwärtig.