Voneinander lernen

 

Seit 20 Jahren wird in der Montessori Volksschule Liefering II das Mehrstufenklassen-System praktiziert. Nach dem Prinzip „Hilf mir, es selbst zu tun“ lernen jüngere Kinder nicht nur durch Lehrpersonen, sondern auch von ihren älteren Mitschülerinnen und Mitschülern.

 

von Ricky Knoll

 

Wenn ein Schulkind soweit ist, dass es einen Lerninhalt an ein anderes weitergeben kann, ist das für Johannes Lugstein von der Bildungsdirektion Salzburg die „Krönung“ des Lernens. Er ist überzeugt: „Wenn ich in der Lage bin, etwas jemand anderem beizubringen, dann brauche ich normalerweise keine Prüfung oder Schularbeit mehr, um zu beweisen, dass ich es kann.“ Genau das ist in den Mehrstufenklassen an der Tagesordnung, denn es ist ein Teil des Montessori-Prinzips, nach dem in der Volksschule Liefering II gearbeitet wird. „Unsere Kinder lernen altersgemischt, Klassen sind in Dreier-Schritten zusammengefasst: Also erste bis dritte, dann vierte plus der ersten und zweiten Klasse Mittelschule, bei uns in der Volksschule sind halt auch die vierten Klassen mit eingebunden“, erklärt Direktorin Monika Dachs.

Lehrplanvorgaben und Schulgesetze gilt es selbstverständlich einzuhalten, auch Schularbeiten werden ab der vierten Klasse geschrieben. Die entsprechenden Inhalte geben die Lehrkräfte vor. Wobei sie den Stoff freilich nicht im Frontalvortag „predigen“, sondern ihn den Kindern in kleineren Gruppen erklären. „Die Kinder bekommen auf ihrer Lernstufe Arbeiten, die sie in Freiarbeit erledigen. Sie machen das selbstständig, selbsttätig und eigenverantwortlich. Dazu braucht es eine gut vorbereitete Lernumgebung, sprich kind- und interessensgerechte Materialien, die frei zugänglich sind“, betont die Direktorin.

In den Schulen gilt heutzutage Methodenfreiheit, das Montessori-Prinzip ist nun vom früheren Schulversuch in das normale Schulsystem eingeflossen. Es entspricht sogar den zentralen Ministeriumsvorgaben, die Individualisierung im Schulsystem umzusetzen. Das bedeutet, jede und jeder darf unterschiedlich sein. „Unsere Methode kann das sehr gut erfüllen, wir haben gut durchdachte Materialien dafür.“

Mehrstufenklassen sind überdies anders organisiert, wie Unterricht in manchen Kleinschulen – vor allem in kleinen Landgemeinden – stattfindet. „Dort gibt es Abteilungsunterricht. Das bedeutet, eine Klasse arbeitet an einem Programm, die andere ist inzwischen still beschäftigt“, erklärt sie den Unterschied. Die Motivation im Mehrstufen-System ist, den sozialen Sinn zu stärken. In diesen Klassen sind Kinder verschiedenen Alters zusammengefasst, das System entspricht eher dem der Geschwisterkinder. „Da hat jedes Kind ja auch eine andere soziale Rolle. Das Jüngste kann noch nicht so viel wie das Ältere. Aber es ist ganz selbstverständlich, dass das Ältere dem Jüngeren hilft. Andererseits lernen Ältere durchaus von den Kleinen“, weiß die Direktorin.

Vor allem für Kinder, die gerade in die Schule kommen, bringt es Vorteile. „Die sensible Einstiegsphase wird entschärft, weil immer jemand da ist, der ihnen etwas zeigen kann. So finden sie sich schnell zurecht.“ Sehr begabte Kinder werden motiviert, sich neuen Materialien zu widmen, aber auch schwächere Kinder finden immer etwas, womit sie sich beschäftigen können und haben so ihre Erfolgsmomente. Alle Jahrgangsgemischten Klassen sind Integrationsklassen. „Integrationskinder profitieren enorm, weil sie immer wieder auch anderen bei etwas helfen können. Das stärkt wieder ihr Selbstwertgefühl und ihr Selbstbewusstsein“, zählt Dachs weitere Vorteile auf. Insgesamt kann ein Kind dort fünf Jahre brauchen für die Volksschule – und verliert dabei nie den Klassenverband. Dasselbe gilt für die begabteren Kinder, wenn sie vorgestuft werden. „Das nimmt ihnen die Scheu, weiter voranzukommen, weil der Klassenverband ja bleibt“, sagt die Direktorin, die stolz auf ihre bunte Schule ist.