Von der Scham zum Stolz

 

Nicht alle Menschen in Österreich können lesen und schreiben. Sie benötigen Hilfe bei amtlichen Briefen, beim Lesen von Medikamenten-Beipacktexten oder Fahrplänen und bemänteln ihre Not mit Ausreden wie „Ich habe die Brille vergessen, könnten Sie mir helfen?“. Erst wenn der Druck groß genug ist, suchen sie einen Weg aus der Lese-Misere – und finden ihn im Basisbildungszentrum abc-Salzburg, das kostenlose Kurse für Schreiben, Lesen und Rechnen anbietet. Umso stolzer sind sie jetzt, wo sie nicht nur Texte sinnerfassend lesen und schreiben können, sondern diese auch veröffentlicht werden.

 

von Teilnehmer*innen des Basisbildungszentrum abc-Salzburg

 

Schreiben
Schreiben bedeutet mir sehr viel.
Das habe ich wieder entdeckt, seit ich ins Abc gehe und fast ohne Fehler schreiben kann.
Leserlich schreiben geht auch schon besser als früher. Ich schreibe jetzt schön. Ich würde gerne noch schöner schreiben, dann ist Schreiben noch lustiger.
Schreiben ist schon wichtig für mich. Schreiben ist auch sehr wichtig zum Stressabbauen. Und wenn es in der Arbeit mal stressig ist, schreibe ich mir das im Kalender alles auf. Dann geht es mir besser.
(Kursteilnehmerin, 37 Jahre)

 

Neuanfang
Es gibt Momente im Leben, da weißt du nicht, wie es weitergeht, aber trotzdem findest du einen Weg. Vor ungefähr 20 Jahren war ich am Tiefpunkt meines Lebens angelangt, mein Körper war so ausgelaugt, ich wusste nicht mehr, wie es weitergehen sollte.
Das war für mich der Anstoß für mein weiteres Leben. Mir wurde bewusst, dass nicht immer die Arbeit das Wichtigste ist, sondern man muss sich Auszeiten nehmen und Dinge tun, die einem guttun.
So kam ich dazu, dass ich Jahr für Jahr neue Sachen ausprobierte. Ich meldete mich beim Yoga an, ging zum Kirchenchor, machte sogar noch eine Ausbildung zur Heimhelferin und momentan absolviere ich einen abc-Kurs.
Für mich war das der Beginn meines neuen Lebens, was ich jetzt voll und ganz genieße.
(Kursteilnehmerin, 51 Jahre)

 

Meine Krankheit
Vor zwei Jahren haben die Ärzte Krebs bei mir festgestellt. Das war ein harter Schlag für mich und meine Familie. Und ein harter Weg.
Ich lag fünf Wochen im Krankenhaus und hab hinterher eine Chemotherapie bekommen. Es war ein schreckliches halbes Jahr und manchmal habe ich geglaubt, dass ich es nicht aushalte. Aber man ist doch sehr stark, wenn es um sein Leben geht. Ich habe eineinhalb Jahre nicht mehr gearbeitet und fühlte mich nicht so richtig wohl. Seit ich wieder arbeite, geht’s mir wieder gut. Ich muss halt alle zwei Monate zum Arzt zur Kontrolle, aber das mach ich gern. Man muss das Leben nicht gleich aufgeben, wenn das Schicksal es mal nicht so gut meint.
(Kursteilnehmerin, 49 Jahre)

 

Meine beste Strategie
Ich habe Situationen gehabt, gerade bei Ämtern, wo ich die Zettel ausfüllen musste. Ich habe mir gedacht: „Warum habe ich in der Schule nicht besser aufgepasst?
Und warum hat meine Mutter keine Zeit gehabt, mit mir zu lernen?“ Wir waren acht Kinder. Es tut mir sehr weh, dass ich nicht gut schreiben kann, ich hätte sicher ein Buch geschrieben. Mein Ziel ist, viel zu lesen und zu schreiben und am Computer zu üben. Ich merke, dass ich besser bin, wenn ich lerne.
Früher war meine Schwester mit bei den Ämtern. Jetzt gehe ich überall alleine hin. Ich habe auch jetzt „Die ganze Woche“ bestellt, damit ich jede Woche viel lese. Ich bin jetzt viel sicherer als früher. Ein Profi werde ich sicher nicht mehr. Für den Alltag bin ich aber viel sicherer.
(Kursteilnehmerin, 45 Jahre)