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Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit

von Lilian

„Home. I searched but could not find myself. I longed for an image, a story, to birth me whole.“ Dieses Zitat aus Evaristos Lara hat mich sehr berührt, denn es spricht eine tiefe Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Selbstverständnis aus, die ich gut kenne.

Ich bin 1996 in Salzburg geboren und aufgewachsen. Meine Mutter ist Österreicherin, mein Vater Nigerianer, der 1991 nach Österreich immigrierte. Obwohl ich hier geboren wurde, fühlte ich mich nie ganz zugehörig. Ich wuchs an einem Ort auf, an dem ich kaum Repräsentationen meiner selbst fand – weder in meinen Klassenkamerad:innen noch in Büchern oder Fernsehserien. Stattdessen war meine Hautfarbe stets ein Marker des Andersseins. Neben rassistischen Bemerkungen, die ich hier nicht nennen möchte, wurde ich oft gefragt: „Woher kommst du?“ – meine Antwort „Aus Österreich“ reichte selten aus. „Nein, ich meine, woher kommst du wirklich?“ war die nächste Frage, die mir ein Gefühl vermittelte, nicht wirklich hierherzugehören. Bald antwortete ich automatisch: „Mein Vater ist aus Nigeria“ und irgendwann wusste ich selbst nicht mehr, wo ich eigentlich hingehörte. Denn hinzu kam, dass mein Vater wenig präsent war. Ich hatte wenig Verbindung zu Nigeria, zu einem Teil von mir, den ich nicht greifen konnte. In der nigerianischen Community war ich die „Weiße“, die „Andere“, hier die „Schwarze“, ebenso die „Andere“. Dieses ständige Gefühl, nirgends dazuzugehören, hat meine Kindheit und Jugend tief geprägt. Der Wunsch, einfach dazuzugehören, war groß.

Ich erinnere mich, dass ich mir oft wünschte, weiß zu sein – mit glatten, „normalen“ Haaren. Meine Haare galten als wild, ungezähmt. Ich traute mich nicht, sie offen zu tragen, schämte mich dafür. Ich fand mich hässlich, nicht liebenswert, ungenügend. Kurz: Ich wünschte mir, jemand anderes zu sein. Doch irgendwann wurde mir klar: Die Veränderung muss in mir selbst stattfinden. Ich traf die Entscheidung, mich nicht in der Rolle des Opfers zu verlieren, sondern Verantwortung für mein eigenes Erleben und eigenes Wachstum zu übernehmen. So fasste ich den Mut, mich selbst anzunehmen – mit allem, was ich bin.

Ich habe gelernt, mich von rassistischen Aussagen zu distanzieren – das, was manche Menschen denken, hat nichts mit mir persönlich zu tun. Der Hass und die Ausgrenzung, die Menschen erleben, die als „anders“ gelten, entspringen nicht ihrer Andersartigkeit, sondern der Angst und Ignoranz der anderen. Das zu erkennen, war heilsam.

Meine Identität ist heute vielfältig, ständig im Wandel. Ich muss mich nicht entscheiden, muss in keine Schublade passen. Ich darf vieles gleichzeitig sein. Ich bin nicht „weder hier noch dort“, sondern überall zugleich. Ich bin all das, was in mir lebt. Ich habe gelernt, mein Anderssein anzunehmen – um ich selbst zu sein. Auch wenn ich anders bin als die Mehrheit, bin ich Teil dieser Gesellschaft. Ich gehöre dazu. Heute trage ich meine Haare oft offen. Ich liebe meine Hautfarbe. Ich wertschätze meine Wurzeln – und all das Neue, das aus dieser Verbindung entsteht. Vielfalt ist ein Schatz, den wir feiern sollten. Doch dies gelingt nur, wenn jeder Mensch auch sich selbst feiert – in seiner Einzigartigkeit. Denn anders zu sein bedeutet nicht, getrennt zu sein. Wahre Gemeinschaft erkennt Unterschiede an – und lässt jeden Menschen auf seine ganz eigene Art aufblühen.

 

Quelle Zitat:

Evaristo, Bernardine. Lara. Eastburn: Bloodaxe Books, 1997. Print.