Mitbestimmung in Österreich: Wir haben die Wahl – ihr nicht

 

Am 9. Oktober wird in Österreich ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Unsere Autorin hat die Wahl zwischen sieben Kandidaten. Nichts Besonderes für sie, denn sie ist Österreicherin von Geburt an. Geleistet hat sie dafür nichts – sie hatte einfach das Glück, dass sie als Kind österreichischer Eltern geboren wurde.

 

von Eva Daspelgruber

 

Die Banknachbarin meiner Tochter heißt Layla. Die beiden Mädchen besuchen zusammen die Volksschule und sind sich ziemlich ähnlich. Sie lieben Pferde, besuchen einen Hip Hop-Kurs, lesen gerne Mangas und freuen sich auf ihr erstes Handy, das sich beide zum nächsten Geburtstag wünschen. Die Zwei sind in Österreich geboren. Meine Tochter ist österreichische Staatsbürgerin – Layla nicht. Das macht in ihrem Alltag keinen großen Unterschied, später allerdings schon. Denn während mein Kind in ein paar Jahren wählen darf, wird Layla dieses Recht vermutlich verwehrt bleiben. Warum? Sie wurde doch wie meine Tochter hier geboren und dieses Land ist seit ihrem ersten Atemzug ihre Heimat.

Der Grund ist die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern. Laylas Mutter kam vor mittlerweile zwanzig Jahren von Bosnien nach Österreich. Sie betreut hier pflegebedürftige Menschen in einem Heim und ist mittlerweile alleinerziehend. Ihre finanzielle Lage ist mit einem Teilzeitjob und zwei Kindern nicht gerade rosig. Zwar kommt sie mit ihrem Einkommen jeden Monat über die Runden, sparen kann sie allerdings nichts. Nur das Geld für das Verfahren zur Erlangung der Staatsbürgerschaft, das hat sie schon lange unangetastet auf einem Sparbuch liegen. Es sind mehrere tausend Euro, die für Bundes- und Landesgebühren für sie und die Kinder anfallen werden, sollten sie die Staatsbürgerschaft bekommen. Warum sie dann den Antrag noch nicht gestellt habe, will ich von ihr wissen.

Das liegt am Gesetz, erzählt sie mir beim Kaffee. Dieses verlangt, dass nach Abzug der Kosten für Wohnung und allfällige Kreditraten noch ein Betrag von mehr als tausend Euro verfügbar ist. Diese Grenze erreicht sie mit ihrem Einkommen nicht – wie auch viele Österreicher:innen, aber die müssen das ja auch nicht, teilt sie mir achselzuckend mit. Zu wählen ist für meine Bekannte daher in naher Zukunft nicht möglich.

So wie Laylas Mutter geht es mehr als 1,4 Millionen Menschen in Österreich – sie dürfen nicht mitbestimmen, weil sie keine Österreicher:innen sind, obwohl sie mehr oder weniger lange hier leben. Infolge dieser Tatsache muss auch kein Kandidat seinen Wahlkampf auf diese Menschen ausrichten, denn bei ihnen handelt es sich nicht um potenzielle Wählerstimmen.

Mario wiederum, der seit mehr als 20 Jahren im fernen Toronto sitzt, darf sehr wohl mitbestimmen, wer der nächste Präsident der Republik Österreich wird. Er ist mit seinen Eltern als Kind nach Kanada ausgewandert und noch immer österreichischer Staatsbürger. Was bedeutet, dass er hierzulande wählen darf. Dabei betrifft das Wahlergebnis doch Laylas Mutter mehr als ihn, oder?

Damit Layla auch einmal wählen darf, muss ihre Mutter mehr Geld verdienen. Oder es ändert sich etwas, damit ihr der Zugang zur Staatsbürgerschaft auf anderem Weg erleichtert wird. Zum Beispiel über eine Senkung der Einkommenshürden, niedrigere Gebühren für die Verleihung oder gleich eine Staatsbürgerschaft für hier Geborene. Damit das Recht wirklich „vom Volk ausgeht“, wie es in Artikel 1 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes heißt. Denn Layla gehört auch zum Volk.