Mit jungen Augen

Mein Name ist Theresa und ich bin 13 Jahre alt. Seit ich klein bin, gehe ich oft mit einkaufen. Eigentlich nervte es mich immer und ich fand es langweilig, aber immer, wenn die nette Dame vorm Billa stand, bin ich gern mitgegangen. Ich weiß nicht, woran es liegt: Vielleicht war es ihre Ausstrahlung, vielleicht war sie mir auch einfach sympathisch. Ich kenne Adriana (32) nun schon seit vielen Jahren und meine Mama und ich haben auch mittlerweile ihren Mann Stan (37) und ihre Kinder Adi (16), Klaus (13), Denisa (11) und die Kleinste, Steffi (2), kennengelernt. Am Anfang kannten wir sie nur vom Sehen, doch dann wurde es mehr.

von Theresa Löffl

 

Anstatt zu Weihnachten bei Hilfsorganisationen etwas für arme Kinder zu spenden, packten wir Päckchen für Adrianas und Stans Kinder zusammen, denn da wussten wir genau, dass sie sich freuen und dass alles sicher ankommt. Damit Stan und Adriana nach Salzburg fahren können, um Apropos zu verkaufen, müssen sie ihre Kinder oft schweren Herzens alleine zuhause lassen. Die bald 12-jährige Denisa kümmert sich in Rumänien dann praktisch um alles und nimmt die Mutterrolle für Steffi ein. Das Leben ist wirklich nicht einfach unter solchen Umständen.

Im Sommer 2019 mussten die Kinder mit nach Salzburg kommen, da sie zuhause einen Rohrbruch hatten, alles überschwemmt war und kein sauberes Trinkwasser zur Verfügung stand. Sie kamen mit dem großen Auto von Adrianas Bruder. In der Caritas konnten sie nicht unterkommen. Also verbrachte die Familie die Nächte in der Zeit, wo sie hier waren, im Auto.

Meine Mama und ich konnten nicht einfach wegsehen und brachten ihnen jeden Tag etwas zu essen. Auch wenn wir selbst nicht so viel besitzen, uns geht es besser als ihnen. Einmal kamen wir gerade vom Spielzeug-Geschäft gegenüber wieder zum Billa zurück, als die Polizei schon wartete. Es hatte jemand in der Wachstube angerufen und sich beschwert, dass die Kinder die Leute belästigten und schamlos bettelten. Um das klarzustellen: Diese Familie bettelt ganz und gar nicht. Wenn wir ihnen etwas geben, ist es nie zu wenig. Sie nehmen es an und bedanken sich dafür, dass wir sie unterstützen. Manchmal sagt Adriana auch: „Das ist zu viel, das können wir nicht annehmen.“

Der Grund, warum ich diesen Brief schreibe, ist einfach und doch so schwer zu erklären. Wenn wir die Kinder und ihren Papa im Park treffen und Essen mitbringen, während die Mama ca. drei Zeitungen am Tag verkauft, sehen uns die Leute an, als würden wir uns mit Verbrechern abgeben. Sie schauen nur, aber sagen nichts. Ich finde, dass jeder Mensch es verdient hat, gleich behandelt zu werden, egal ob er reich, arm, hell oder dunkel ist! Warum kann man nicht jeden Menschen als gleichwertig betrachten? Stellen Sie sich vor, Sie wären in dieser Situation und die größte Freude für Ihre Kinder wären ein Stift und ein Blatt Papier. Der größte Wunsch von Ihnen wäre es, hier ein unbeschwertes Leben haben zu können: hier in Salzburg. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir das für Adriana, Stan und ihre vier Kinder wünschen. Sie sind wie eine zweite Familie für mich und meine Mama geworden und wir versuchen zu helfen, wo wir können. Auch wenn wir ihnen kein besseres Leben bieten können, bringen wir sie mit gebrauchten Kleidern und einem warmen Essen zum Lächeln.

Ich finde, wir können uns sehr glücklich schätzen, ein Dach über dem Kopf zu haben und ein gutes Schulsystem und vor allem, in einem demokratischen Land wie Österreich zu leben.

PS: Wir wurden auf Theresa über einen Leserbrief in den „Salzburger Nachrichten“ aufmerksam, die ihren Text gekürzt wiedergegeben haben. Wir waren so beeindruckt, dass wir Theresa daraufhin zu uns in die Glockengasse 10 eingeladen haben, damit sie am Erstverkaufstag der Zeitung dabei sein und einen Blick hinter die Kulissen der Straßenzeitung werfen kann. Zudem veröffentlichen wir an dieser Stelle ihren Leserbrief in voller Länge.