Im Sinne der Nachhaltigkeit
Der Salzburger Hotelier Ralph Seifried hat mit seinem nachhaltigen Hotel- und Restaurantkonzept „The Keep“ neue Maßstäbe gesetzt. Die Bettenfüße wurden aus Schwemmholz aus der Salzach gezimmert, alte Obstkisten in Regale umfunktioniert. Im heuer eröffneten Restaurant isst man bio-vegan und zahlt nach Gefühl. Im Apropos-Gespräch erzählt er vom bewussten Umgang mit Konsumgütern, der Wichtigkeit von Gemeinschaft und weshalb ihm eine Depression dabei geholfen hat, seine Werte zu überdenken.
Titelinterview mit Hotelier Ralph Seifried
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Was bedeutet für Sie gehaltvoll?
Ralph Seifried: Wertvolles Halten. Etwas, das es zu bewahren und zu behalten gilt. Das versuche ich auch bei unserem nachhaltigen Hotel- und Restaurant-Konzept „The Keep Eco Residence“ umzusetzen. Seit über einem Jahr ist das Hotel eröffnet, seit diesem Mai das bio-vegane Restaurant. Der Ort selbst war schon immer ein Beherbergungsgebäude. Zuletzt wurde es von sozial benachteiligten Menschen bewohnt, die nur die Zimmer bekommen haben, aber bedauerlicherweise keine Aufmerksamkeit. Dann dreht sich der Wert leider in die andere Richtung. Am Schluss war es nicht mehr bewohnbar.
Wir haben dann sozusagen das Schloss wachgeküsst. Wir haben das Haus mit weniger als einem Fünftel an Neuwaren aufgebaut, als man bei einer Sanierung brauchen würde. Wir haben Bestehendes bewahrt oder neu zum Leben erweckt. Meine Devise war und ist: So wenig wie möglich und so viel wie nötig an Neuem.
Weshalb wollten Sie keine neuen Materialien für Ihre Hotel-und Restauranteinrichtung verwenden?
Ralph Seifried: Weil es mir wichtig ist, achtsam mit den Ressourcen umzugehen. Bei vielem, das man wegwirft, bleiben am Ende der Verwertungskette nur Giftstoffe übrig. Wenn ich jedoch Einrichtungsgegenstände recycle oder upcycle, nutze ich ihre Lebensdauer und es entsteht etwas Gehaltvolles. Bei unseren 36 Zimmern haben wir nur dort Putz verwendet oder gemalt, wo es nicht anders möglich war. Für die Betten haben wir Schwemmholz aus der Saalach und der Salzach gesammelt und bearbeitet, sodass wir Bettenfüße daraus bauen konnten. Die Duschen sind innen mit ehemaligen Zeltplanen ausgestattet. Die Sessel entstammen der Alten Residenz. Alte Obstkisten aus Südtirol haben wir zu Regalen umfunktioniert. Unsere Fenster haben teils schon einen Schleier und sind sozusagen blind. Für uns sind es die Falten der Fenster. Wir Menschen werden auch alt. Warum dürfen Fenster keine Falten haben? Lieber bewahre ich etwas und schreibe Dingen, die eine Geschichte haben, einen Wert zu. Das möchten wir auch unseren Gästen bewusst machen. In den Zimmern haben wir kleine Schildchen mit einem QR-Code angebracht. Wer ihn aktiviert, erfährt beispielsweise, dass die Zimmertüre, die wir aufgepeppt haben, schon 70 Jahre alt ist und nach wie vor funktioniert unter der Voraussetzung, dass ein bisschen mehr Pflegebedarf gegeben ist. Oder dass der große Spiegel im Restaurant aus 1870 stammt. Genauer betrachtet ist er einfach ein kaputter, alter Spiegel, aber als Teil der Gesamteinrichtung einfach ein Traum. Selbst unsere Kaffeemaschine ist aus sechs alten Kaffeemaschinen zusammengebaut worden.
Man könnte meinen, Sie haben zu jedem Einrichtungsobjekt eine Beziehung. …
Ralph Seifried: Das trifft auch zu. Sobald ich ein Objekt bewusst wahrnehme und achtsam damit umgehe, entsteht durch diese Beziehung eine Werte-Erfahrung. Wenn ich in meiner Außenwelt in einer guten Beziehung bin, dann bin ich unter Umständen auch in einer guten Beziehung mit mir. Mir ist es einfach wichtig, dass Dinge in einer anderen Form weiterexistieren können – und nicht gleich für etwas vermeintlich Besseres ersetzt werden. Wenn etwas in seiner ursprünglichen Form nicht mehr funktioniert wie beispielsweise ein Champagnerkübel, wird er bei uns zum Blumentopf. Hier hat alles eine Geschichte und wird gewürdigt.
Sie bieten Ihre Zimmer sehr kostengünstig an, aktuell zum Zimmerpreis von 25 Euro bis 50 Euro. Ein ungewöhnlich niedriger Tarif …
Ralph Seifried: Jedes Hotel hat gewisse Kennzahlen und einen Deckungsbeitrag, mit dem sich das Zimmer selbst tragen soll. Dadurch, dass wir so viel bewahrt und wiederverwertet haben, ist es uns möglich, einen Preis weiterzugeben, der im unteren Preissegment angesiedelt ist und es uns gleichzeitig ermöglicht, profitabel zu sein. Zudem hat auch nicht jedes Zimmer eine eigene Dusche. Wir wollen mit unserer Preisgestaltung zeigen, dass man mit Nachhaltigkeit und einem Bewusstsein für unseren Planeten nicht nur etwas richtig Schönes und Cooles machen, sondern auch Geld verdienen kann, aber eben angemessen.
Im bio-veganen Restaurant gilt die Devise „Pay as you feel“. Warum?
Ralph Seifried: Wir bieten das Essen in à la carte-Buffetform an mit ständig wechselnden, frisch zubereiteten veganen Gerichten. Bei Buffets isst man einmal mehr und einmal weniger, also ist es zuerst einmal fair. Zum anderen möchten wir den Gast einladen, selbst ein Teil unserer Philosophie zu werden. Er holt sich sein Essen, räumt sein Geschirr weg und entscheidet dann, wieviel er für diese hochwertige Biokost zahlen möchte. Damit vermitteln wir ihm eine Art Wohnzimmergefühl, bei dem man sich als Teil einer Familie mitverantwortlich fühlt. „Pay as you feel“ lenkt den Fokus darauf, was mir dieses gesunde Essen wert ist. Die Gäste gehen bewusster mit dem Essen um. Sie füllen die Teller nicht so randvoll wie es normalerweise bei Buffets üblich ist, sodass wir kaum Biomüll haben. Wir haben auch kein Problem, wenn ein Gast einmal etwas weniger zahlt, weil gerade nicht mehr geht, ganz im Gegenteil. Es gibt dafür andere Menschen, die absichtlich mehr zahlen, weil sie diesen Weg unterstützen wollen, das gleicht sich wieder aus.
Weshalb haben Sie ein veganes Restaurant ins Leben gerufen?
Ralph Seifried: Ich esse gerne hin und wieder ein Stück Fleisch, aber das Restaurant habe ich als Gegengewicht zu den zahlreichen anderen Restaurants vegan angelegt, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es auch wunderbare Gerichte rein auf Pflanzenbasis gibt. Vegane Küche ist dabei ein Stück aufwendiger zu produzieren, wenn man sie spannend machen möchte. Wir legen ein großes Augenmerk auf die hohe Qualität unserer Ware. Wir kaufen alle Produkte innerhalb eines 50-Kilometer-Radius und bauen unser Biogemüse selbst an – zum einen in meinem eigenen Garten, zum anderen in 25 alten Badewannen in Maxglan, die wir in Hochbeete verwandelt haben.