Idylle am grünen Band

 

Kunterbuntes Miteinander: Am Almkanal im Süden der Stadt Salzburg lässt sich’s aushalten, gerade im Sommer.

 

von Sandra Bernhofer

 

Im Frühling gehört der Almkanal zwischen Hans-Donnenberg-Park und Thumegger Straße ihnen: den Graugänsen samt Nachwuchs. Anfang Juni haben die Kleinen bereits einen Großteil ihres Baby-Flaums eingebüßt und reichen ihren Eltern fast bis zum Schnabel. Genüsslich sonnen sie sich am Ufer, zuckeln seelenruhig im Gänsemarsch über den Radweg und sind ein beliebtes Fotomotiv für die Menschen, die vorbeiradeln, oder die Mütter, die ihre Kinderwagen entlang des Almkanals vor sich herschieben. Die Gänse lassen sich längst nicht mehr durch die Passanten mit ihren Handys stören und rupfen seelenruhig Grashalme. Nur wenn ein Hund zu übermütig wird und ihnen zu nahe kommt, ertönt ein Fauchen der Muttergans.
Im Frühling und Sommer ist der Almkanal vor allem eines: idyllisch. Und ein beliebtes Naherholungsgebiet bei den Salzburgerinnen und Salzburgern. Als beruhigend milchig-grünes Band bahnt er sich im Süden der Stadt Salzburg seinen Weg hindurch zwischen Einfamilienhäusern, Kleingartenanlagen und vereinzelten Gewächshäusern. Junge Eltern mit Kindern im Schlepptau spazieren oder radeln an seinem Ufer entlang, genauso wie Seniorinnen und Senioren, die in der Nähe wohnen. Ganz vereinzelt hat jemand sein Rad an einen Baum gelehnt, das hohe Gras am Ufer plattgedrückt und es sich mit einem Buch gemütlich gemacht. Es ist ein Ort, an dem man noch hört, wie die Vögel zwitschern und die Grillen zirpen. Nur ab und zu stören ein Rasenmäher-Motor oder die surrenden Speichen vorbeifahrender Fahrräder die Stille.

Der Almkanal ist ein kleines Stück Urlaubsvergnügen mitten in der Stadt – und das kostenlos. Dieser Eindruck verstärkt sich, je weiter man nach draußen wandert: Hier stehen bunte Holzhütten, auf denen Rettungsringe in Weiß mit blauen oder roten Streifen hängen, davor Einstiegsleitern zum Baden. Nur: Danach ist in diesen Tagen noch niemandem zumute, denn der Sommer lässt auf sich warten. Die sonst überfüllte Badewiese, wo Heinrich-Meder-Weg auf Sternhofweg trifft, ist gerade einfach nur eine Wiese. Die Einzigen, die sich – abgesehen von den Enten und Gänsen – ins kühle Nass wagen, haben sich noch ein Stück weiter stadtauswärts versammelt, in der Nähe der Obuskehre Birkensiedlung in Gneis. Seit Herbst 2010 rauscht dort die Surfwelle. Auf dieser künstlichen Welle messen sich Profis, aber auch blutige Anfänger mit den Naturgewalten. Ein Grüppchen Surfer hat sich an beiden Ufern des Almkanals versammelt, zwei halten sich tapfer auf der Welle. Natürlich im Neoprenanzug. Den braucht es bei zehn bis fünfzehn Grad Wassertemperatur einfach.
Zwei Wochen später ist das Wasser zwar nicht wesentlich wärmer, doch die Außentemperatur kratzt an der 30-Grad-Marke: Am Ufer wuselt es jetzt. Junge Familien haben es sich bequem gemacht, Gruppen von Jugendlichen, die Musik hören oder Karten spielen, Menschen, die einfach daliegen und in der Sonne braten, ein Handtuch über dem Kopf. Ein Junge treibt auf einer pinken Luftmatratze vorbei, Georg (37) steckt die Füße ins Wasser. „Ganz schön frisch“, sag er lachend und zuckt kurz zurück. Er ist zwar abgehärtet, weil er selbst im Winter mindestens einmal im Monat in den Hölllerersee in Oberösterreich springt, wie er erzählt. In den Almkanal wagt er sich heute aber nicht. Anders das Grüppchen junger Burschen, das sich an der Brücke zum Donnenbergpark versammelt hat. Einer nach dem anderen klettert über das Geländer und springt mit einem lauten Platscher in das eiskalte Wasser. Und so hart ist keiner von ihnen, dass ihm nicht beim Auftauchen ein schriller Schrei entweicht. Ein Stück lassen sie sich noch vom Strom weitertreiben, dann kraulen sie dagegen an und lassen sich von der Sonne trocknen. So entspannt kann Sommer in Salzburg sein!

 

Der Almkanal hat seinen Ursprung in der Königsseeache in Bayern und unterscheidet sich grundlegend von natürlichen Bächen: Das Wasser gleitet zwischen senkrechten Ufermauern, Holzverbauten oder steilen Steinböschungen dahin. Auf seinem zwölf Kilometer langen Weg bis in die Salzburger Innenstadt speist er sechs Teiche und betreibt 14 Kraftwerke. Einst diente er zur Versorgung der Stadt mit Nutz-, Trink- und Löschwasser. Bis heute ist der Stiftsarmstollen durch den Mönchsberg in Betrieb und damit einer der ältesten aktiven Wasserleitungsstollen in Mitteleuropa. Während der „Almabkehr“ im Herbst gibt es übrigens Führungen durch dieses Zeugnis historischer Baukunst.