Ich werde deine Leber essen

 

Um die Teilnehmer*innen in ihren Deutschkursen besser zu verstehen und um Einblick in die persische Sprache zu gewinnen, wechselte unsere Autorin die Seiten. Statt an der Tafel zu stehen, saß sie nun in einem Anfängerkurs für Persisch. Dadurch offenbarte sich für sie eine neue Welt.

 

von Eva Daspelgruber

 

Ich liebe den Klang dieser Sprache. Er ist für mich wie Musik. Gerne lausche ich meinen Kursteilnehmer*innen aus Afghanistan und dem Iran, wenn sie sich in den Pausen in ihrer Muttersprache austauschen. Farsi heißt diese im Iran und Dari in Afghanistan. Die beiden Sprachen sind nicht ident, aber sehr ähnlich, vergleichbar mit Deutsch und „Österreichisch“.
Außer salam für Hallo und mersi für Danke verstehe ich gar nichts. Irgendwann kommt der Punkt, an dem ich das ändern möchte. Auch wenn ich weiß, dass das, was ich mit der Sprache machen werde, keinesfalls wie Musik klingen wird, suche ich nach einem Kurs und werde bald fündig.

Dort, an der Tafel, wo normalerweise mein Platz als Trainerin ist, steht eine gleich auf den ersten Blick sympathische Frau. Sie freut sich sichtlich, dass wir Teilnehmer*innen uns eingefunden haben, um ihre Muttersprache zu lernen, und schreibt die ersten persischen Buchstaben an die Tafel. Ich male sie nach, etwas wackelig, und frage mich, ob ich es jemals schaffen werde, in dieser Sprache zu schreiben.

Zu meiner Freude darüber, dass es im Persischen keine Artikel gibt, gesellt sich bald Ernüchterung, als ich erfahre, dass die kurzen Vokale a, e und o nicht geschrieben werden. Es gibt zwar Hilfszeichen dafür, allerdings nur in Büchern für junge Schulkinder. Trotzdem bleibe ich motiviert und schreibe bzw. male meine ersten Worte mit einer Riesenfreude in diese für mich neue Schreibrichtung von rechts nach links. Es fühlt sich an, als wäre ich wieder in der ersten Klasse Volksschule gelandet.

In meinen Deutschkursen streue ich meinen ersten Wortschatz ein und die Teilnehmer*innen freuen sich, halbwegs verständliche Worte ihrer Muttersprache zu hören. Mich in Gespräche zu verwickeln gelingt ihnen aber nicht. Doch ich kann sie zumindest fragen, wie es ihnen geht, und ihnen ein schönes Wochenende wünschen.

Besonders die Verben dieser Sprache, die 50 bis 70 Millionen Menschen dieser Welt als Muttersprache verwenden, haben es mir angetan. So übersetze ich klopfen mit Tür schlagen, aufstehen mit Fuß werden und blühen mit Blume geben. Die Lehrerin gibt Gedanken, der Lernende nimmt sie, so setzen sich die Verben für lehren und lernen zusammen.
Ich lerne,,dass ich – sofern ich mich in einen Mann aus dem Iran verliebe – zum Zeichen meiner Zuneigung Ich werde deine Leber essen, sagen soll. Falls ich mich erkälte, ist es einfach: Ich habe Kälte gegessen, denselben Satz mit Boden, sollte ich hinfallen. Wenn ich ganz und gar hinter jemandem stehe und auf sie oder ihn aufpasse, brauche ich nur Ich habe dein Wetter zu sagen und mein Gegenüber weiß Bescheid.

Ich erfahre, dass das neue Jahr mit einem großen Fest – Norouz – zu Frühlingsbeginn willkommen geheißen wird. Der Tradition nach gibt es zur Feier eine Tafel, auf der sich haft sin, die sieben S, befinden. Jedes Element hat eine Bedeutung. Sib, der Apfel, symbolisiert beispielsweise Schönheit und Gesundheit, während serkeh, der Essig, für Geduld und Fröhlichkeit steht. Ein schöner Brauch, wie ich finde.

Einmal lädt mich meine Lehrerin zu sich nach Hause ein. Sie tischt zu meiner unermesslichen Freude ghormeh sabzi auf. Dieses köstliche, traditionelle persische Gericht, das ich heiß liebe. Wir essen zwei Stunden lang und trinken zwei weitere Kaffee. Sie spricht viel über ihr Leben in der Heimat und ich lausche fasziniert.
Irgendwann möchte ich den Iran besuchen und die herzlichen Menschen dort kennenlernen. Bis es so weit ist, nutze ich das Glück, dass sich durch das Essen, die Sprache und meine Bekanntschaften ein Stück dieses Landes für mich schon hier entfaltet.