Ich poste mir die Welt, wie sie mir gefällt

 

Perfekte Gesichter, schöne Körper – das alles sehen wir täglich in den Sozialen Medien. Das macht etwas mit uns, kann zu Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen oder dem eigenen Leben führen – bereits bei Kindern. Doch das, was gepostet wird, ist nicht alles von allem. Es ist nur ein Teil des Lebens. Jener Teil, den Menschen ins Scheinwerferlicht rücken möchten. Die Sonnenscheinmomente werden gepostet, die Schattenseiten bleiben vor der Öffentlichkeit verborgen. Filter prägen die Sozialen Medien – bei den Fotos und bei der Auswahl der Inhalte.

 

von Eva Daspelgruber

 

Mmmh,  das sieht köstlich aus! Karin hat wieder ein schmackhaftes Gericht gezaubert und ein Foto davon ins Netz gestellt. Vegan natürlich, wie immer. Die wohlwollenden Kommentare unter dem Bild sind zahlreich. Irgendwie beschleicht mich ein schlechtes Gewissen, weil ich ab und an doch noch Fleisch konsumiere. Ach, wäre es nur so wie bei Karin, die natürlich auch die perfekte Familie und das perfekte Haus mit Pool hat. Was ich nicht weiß ist, dass Karin zwar durchaus vegan kocht und bäckt, das das aber nicht alles ist. Von einer Bekannten höre ich, dass sie mit Karin im chinesischen Restaurant war, wo beide eine gebratene Ente bestellten. Und bei ihrer Mutter verspeiste sie kürzlich genüsslich Bratwürstel. Davon sehe ich allerdings kein gepostetes Bild. Stattdessen Hinweise auf mahnende Filme, was den Fleischkonsum betrifft. Es ist doch wieder nicht alles, wie es zu sein scheint.

Ach, Birgit wird nicht müde, ihr neues Liebesglück nonstop durch Facebook und Instagram zu jagen. Nahezu täglich gibt es Selfies von ihr und “dem Neuen” – inklusive allerlei Sprüchen, die kundtun, dass er die Liebe ihres Lebens sei. Ich freue mich natürlich für meine Bekannte. Nur: vor ein paar Monaten waren es ähnliche Bilder, die ihre Follower zu sehen bekamen – allerdings mit einem anderen Mann. Dessen Spuren wurden aus ihrem Profil entfernt. So, als hätte es ihn nie gegeben.

Oh, schau! Sandra hat ihr Profilbild auf Facebook geändert. Ein schönes Foto – allerdings mit einem Haken: Es sieht nur entfernt aus wie Sandra. Die geht nämlich auf die 50 zu und hat sympathische Falten um Augen und Mund. Am Bild ist keine davon zu sehen. Als wir das letzte Mal zusammen Kaffee tranken und plauderten, waren ihre Wangen viel voller. Und in so große Augen habe ich damals bestimmt nicht geblickt. Irgendwie unecht, diese Facebook-Sandra. Und auch nicht so sympathisch wie ich sie in Erinnerung habe. Da kamen wohl jede Menge Filter zum Einsatz. Schade, denn die echte Sandra ist eine natürliche und hübsche Frau. Offenbar sieht sie sich selbst anders, sonst hätte sie das Original nicht dermaßen bearbeitet.

Neugierig geworden, was so eine App mit meinem Gesicht machen kann, installiere ich eine kostenlose und lade dort ein Foto hoch. Binnen weniger Sekunden zaubere ich dort alle meine Falten aus dem Gesicht, das in Folge schmäler gemacht wird. Ich muss lachen, als ich den Augenabstand verschiebe und sie mir ein Stück weiter öffne. Die Lippen werden dicker und breiter und die Nase, mit der ich ohnehin nicht zufrieden bin, gefällt mir nun besser. Ein bisschen Arbeit habe ich noch mit den Augenbrauen, bevor ich mich zu den Schönheitsfehlern begebe, wie sie dort heißen. Das Ergebnis? Eine halb so alte Frau, die mir gut gefällt. Nur: Es gibt sie nicht. Ich speichere den Selbstversuch zu Dokumentationszwecken und entferne die App wieder von meinem Smartphone. Nicht auszudenken, wenn ich einen Menschen treffe, der mich nur vom Profilbild her kennt und in der Realität dann vielleicht erschrickt. Das, was ich hier an meinem Gesicht probiert habe, funktioniert natürlich auch für Ganzkörper-Abbildungen. Tätowierungen und Muskeln sind mit einer paar Berührungen des Bildschirms ganz leicht zu haben.

Besonders bedenklich ist dieser Trend zum Filter für Kinder und Jugendliche. Auf der Plattform Tik Tok scrollen bereits Zehnjährige auf und ab, die dann vielleicht den eigenen Körper als unzulänglich ablehnen und sogar Essstörungen entwickeln. Es ist zu hoffen, dass das soziale Umfeld es schafft, im Gespräch zu bleiben und dem jungen Menschen zu vermitteln, dass wir eben alle verschieden sind. Dass jede und jeder von uns anders ist, und dass das gut und in Ordnung ist. Vielleicht setzt man sich auch gemeinsam hin und bastelt an einem Foto herum – so, wie es die sogenannten Influencer:innen tun, die das bearbeitete Bild dann wie einen zufälligen Schnappschuss ins Netz stellen.

Eine Bewegung, die sich mit einer positiven Einstellung zum Körper beschäftigt, ist Body Positivity. Es geht dabei um die Akzeptanz eines jeden Körpers, so wie er ist. Für die Sozialen Medien bedeutet das die Darstellung von echten und unbearbeiteten Bildern. Celeste Barber ist eine prominente Vertreterin dieser Bewegung. Die Australierin nimmt Fotos oder Videos von Models als Vorlage und stellt sie auf humorvolle Art nach. Trotz der positiven Wirkung einer solchen “Gegenbewegung” steht aber auch hier wieder der Körper im Fokus der Aufmerksamkeit. Dabei sind wir doch viel mehr als unser Äußeres.

Das, was vielleicht auf den ersten Blick Neidgefühle oder Bewunderung hervorruft, ist nicht selten anders als man denkt. Das perfekte Leben gibt es nicht und Menschen, die mit oder ohne Filter schön und trainiert sind, sind nicht automatisch glücklich. Das Leben ist eben ein Wechselspiel aus Licht und Schatten. Anders als in den Sozialen Medien können wir hier nichts filtern oder das löschen, was uns nicht gefällt. Und der Drang, so auszusehen wie andere oder ihr angeblich so tolles Leben zu bewundern, trägt ganz bestimmt nicht zur eigenen Zufriedenheit bei.