
„Fördern bedeutet für mich, Menschen wahrzunehmen“
Die promovierte Physikerin Brigitte Bach ist technische Vorständin der Salzburg AG und eine der wenigen Frauen im Topmanagement der Energiebranche. Sie hat sich nicht nur die Förderung der Chancengleichheit von Frauen auf die Fahnen geschrieben. Als Technologieexpertin weiß sie ebenso, welche Innovationen wir als Gesellschaft fördern müssen, um unsere Zukunft auf diesem Planeten zu sichern.
von Monika Pink-Rank
Frau Bach, was bedeutet „fördern“ für Sie?
Brigitte Bach: Fördern bedeutet für mich, Menschen wahrzunehmen, ihre Ambitionen zu erkennen und sie dabei zu unterstützen, ihren Weg zu gehen und den Platz zu finden im Leben, wo sie wirklich glücklich und zufrieden sind. Das gilt privat wie beruflich. Denn wenn eine Person in einer Position arbeitet, wo sie erfüllt ist, wo sie gerne arbeitet, wo sie ihre Berufung leben kann, dann ist sie auch wirklich gut und arbeitet mit Leidenschaft.
Wenn Sie von Berufung sprechen: Haben Sie Ihre Berufung gefunden?
Brigitte Bach: Definitiv. Meine Berufung ist sicherlich, mich an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft dafür einzusetzen, gute Innovation in die Wirtschaft und Gesellschaft zu bringen. Vor allem im Zusammenhang mit Klimawandel und der Reduktion von CO2-Emissionen, aber auch im Bereich der Digitalisierung. Denn durch digitale Tools und Techniken können wir vieles besser, schneller und schlauer machen.
Können Sie uns Ihren Werdegang schildern – gab es Personen oder Umstände, die Sie gefördert haben?
Brigitte Bach: Ich habe ursprünglich ein neusprachliches Gymnasium besucht – übrigens eine reine Mädchenschule. In der Familie war es eine interessante Konstellation: Mein Vater war technischer Chemiker. Er hat mich sehr gefördert, indem er mir Bücher zum Thema Physik, schwarze Löcher, Astrophysik und Astronomie mitgebracht hat, was mich sehr interessiert hat. Gleichzeitig war er aber der Meinung, dass eine Frau nicht studieren muss, weil sie besser bei der Familie zu Hause bleiben sollte. Diese Kombination hat mich, glaube ich, dazu gebracht, mit großem Nachdruck meinen Weg zu gehen, ein technisches Studium zu ergreifen und meine berufliche Karriere zu verfolgen.
Für welches Studium haben Sie sich entschieden und welche Bedingungen haben Sie dort vorgefunden?
Brigitte Bach: Ich habe technische Physik an der Technischen Universität Wien und Astronomie an der Universität Wien studiert. Der Technikbereich war damals und ist jetzt teilweise immer noch ein sehr männlich dominiertes Umfeld. Von gut hundert Studierenden waren wir ganze vier Frauen in der ersten Vorlesung. Die vier Frauen haben übrigens alle fertig studiert, von den hundert Kollegen waren nach drei Monaten nur mehr 60 in der Vorlesung.
Haben Sie im universitären Kontext Förderung erlebt – oder das Gegenteil?
Brigitte Bach: Ich glaube, ich habe wenig konkrete Förderung erlebt. Es gab zwar Einzelpersonen, die sehr darauf geachtet haben, die Frauen, die da sind, zu halten und zu unterstützen. Ich kann mich aber auch an einen Assistenten erinnern, der gesagt hat: „Frauen haben da nichts verloren, die schaffen das nicht.“ Das ist natürlich eine dramatische Aussage, die hoffentlich heute nicht mehr in dem Ausmaß vorkommt.
Was hat Ihnen dabei geholfen dranzubleiben, wenn schon die Umstände nicht immer so förderlich waren?
Brigitte Bach: Ich glaube, es ist wichtig, dass man sich mit guten Freundschaften umgibt, die einem gute Energie zurückgeben. Vor allem als junge Frau ist es nicht immer einfach, in einem männlich dominierten Umfeld den eigenen Weg zu gehen. Mir hat geholfen, dass ich enge Freundinnen und Freunde hatte, mit denen ich mich beratschlagen und austauschen konnte und die mir Rückhalt gegeben haben.
Wie ging es nach dem Studium für Sie weiter?
Brigitte Bach: Ich habe als Assistentin auf der TU mein Doktorat im Bereich nukleare Astrophysik gemacht. Da ging es um Kernreaktionen in Sternen, also etwas unheimlich Spannendes! Dann bin ich sehr schnell in den Bereich Forschungsförderung und Innovation mit Schwerpunkt Umwelt und Energie gelangt – in der heutigen Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Anschließend habe ich im Austrian Institute of Technology die Energieforschung aufgebaut. Das ging von Themen wie Smart City über den gesamten Bereich erneuerbare Technologien wie Photovoltaik, Smart-Grids-Technologie bis hin zu Wärme, Wärmepumpen und Fernwärmesystemen. 2018 wechselte ich zur Wien Energie und seit 1. Jänner 2021 bin ich Vorständin der Salzburg AG.
Inzwischen sind Sie in der Rolle, andere zu fördern. Worauf kommt es dabei aus Ihrer Sicht an?
Brigitte Bach: Als Führungskraft sehe ich meine Aufgabe darin, die Organisation und die Menschen in eine Richtung zu entwickeln, wo sich im optimalen Fall alle am richtigen Platz befinden und das Unternehmen dann ganz großartig funktioniert, weil jeder mit Leidenschaft an seinem Thema arbeitet. Fördern funktioniert für mich auf verschiedenen Ebenen: mit Sicherheit durch Gespräche, in denen man Wege aufzeigt, aber auch Mut macht, Diskussionspartner:in ist, Dinge spiegelt und Klarheit schafft. Fördern kann man Menschen natürlich auch, indem man Kontakte und Netzwerke zur Verfügung stellt. Und nicht zuletzt dadurch, dass man im beruflichen Kontext eine Ausbildung oder ein Coaching oder einen Karrieresprung ermöglicht.
Wen möchte die Salzburg AG im Speziellen fördern – und wie?
Brigitte Bach: Mit unserem Programm #diezukunft möchten wir die Chancen von Frauen in unserem Unternehmen erhöhen. Das bedeutet einerseits, dass wir an der Unternehmenskultur arbeiten; dazu gehört die Sprache genauso wie die gegenseitige Wertschätzung und der Umgang miteinander. Kultureller Wandel gelingt dann, wenn wir Frauen hereinholen, sie halten und sie in Führungspositionen bringen. Sie müssen realistisch daran glauben können, dass es Aufstiegschancen gibt. Darüber hinaus ist es unabdingbar, Rahmenbedingungen zu schaffen, die der Chancengleichheit dienlich sind.
Welche Rahmenbedingungen meinen Sie damit?
Brigitte Bach: Das ist das ganze Thema Work-Life-Balance und wie man Eltern bei der Kinderbetreuung unterstützen kann. Da haben wir zum Beispiel letzten Sommer mit einem Ferienbetreuungsangebot begonnen und sind dabei, einen Betriebskindergarten zu konzipieren. Aber auch Fragen wie: Kann ich mir meine Arbeitszeit einteilen, wie viel Möglichkeit habe ich zum Homeoffice, ist eine Führungsposition in Teilzeit möglich? Parallel dazu bieten wir Coaching, Mentoring und Vernetzung von Frauen an, und wir holen sie in der Kommunikation vor den Vorhang. Es ist uns schon gelungen seit 2021 den Frauenanteil von 17 auf über 20 Prozent zu heben und von 5 Prozent weiblichen Führungskräften auf 11 Prozent zu kommen – das ist mehr als eine Verdoppelung.
Was entgegnen Sie Personen, die das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, wenn plötzlich andere gefördert werden?
Brigitte Bach: Bei jeder Veränderung gibt es Menschen, die begeistert mitgehen, und ein paar, die dagegen sind. Uns geht es vor allem darum, eine gute Balance herzustellen, Chancengleichheit für Frauen und Frauenförderung sind wichtige Bausteine dafür. Was uns da gelingen muss, ist, den Menschen das große Bild zu erklären und sie mitzunehmen, um gemeinsam diese neue Kultur zu bilden.
Welches ist das große Bild für Sie?
Brigitte Bach: Das große Bild ist, dass in einem diversen Team die Menschen wesentlich konstruktiver, lösungsorientierter und effizienter zusammenarbeiten. Insgesamt wird das Arbeiten vielleicht auch lustiger und kreativer, aber in jedem Fall wird das Unternehmen erfolgreicher und besser. Das ist auch in vielen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen: Wenn Frauen in Führungspositionen, in Aufsichtsräten, in Vorstandsgremien, im Board vertreten sind, dann sind Unternehmen langfristig besser aufgestellt.
Welche Maßnahmen setzen Sie konkret, um Frauen ins Unternehmen zu holen?
Brigitte Bach: Wir achten im Rekrutierungsprozess darauf, Frauen anzusprechen, ihr Potenzial richtig einzuschätzen und ihnen die Chance zu geben. Bei unserem Trainee-Programm im technischen Bereich haben wir jetzt die Vorgabe, 50 Prozent weibliche Trainees aufzunehmen. Wir haben bis zu zwölf Plätze und wenn es weniger als sechs Frauen sind, dann sind es auch insgesamt weniger Trainees. Aber wir sind noch lange nicht am Ende. Wir müssen noch viel mehr Kontakte und Netzwerke mit Schulen und Universitäten entwickeln und schauen, dass wir dort noch bekannter werden und mehr Mädchen und junge Frauen motivieren, reinzukommen.
Im technischen Bereich sind Frauen ja nach wie vor unterrepräsentiert. Welche Förderprogramme halten Sie da für sinnvoll?
Brigitte Bach: Das Wesentliche ist, dass man die ganze Kette vom Kleinkind über die Ausbildung bis zum Beruflichen betrachtet. Ein gutes Beispiel sind die Spürnasen-Ecken im Kindergarten, wo Mädchen für einfache technische Dinge begeistert und motiviert werden, anzupacken, hinzugreifen, auszuprobieren. Wir selber machen Robocamps für Kinder im Volksschulalter. Da habe ich eingeführt, dass wir zwei Kurse ausschließlich für Mädchen anbieten, damit Mädchen nicht durch Burschen, die vielleicht eine Spur lauter oder frecher sind, in den Hintergrund geraten und sich zurückziehen. Ich habe selber so ein Robocamp besucht, wo die Mädchen kleine Roboter gebastelt und programmiert haben, die tanzen konnten. Sie haben sich ganz tolle Choreografien überlegt, das war so lustig, die waren so geschickt und so gescheit!
Aber sind solche punktuellen Angebote in den Ferien ausreichend?
Brigitte Bach: Es stimmt, das sind ein, zwei Wochen im Jahr. Deswegen muss man versuchen, den Mut und die Freude der Kinder zu stärken und gleichzeitig den Eltern zu sagen: „Es ist in Ordnung, wenn sich Mädchen dafür interessieren! Schaut nach, ob eure Mädchen nicht ganz geschickte Technikerinnen oder Mathematikerinnen wären! Versucht sie in diese Richtung zu unterstützen!“ Das ist der erste Schritt und dann geht es natürlich weiter, wie man ein technisches Studium attraktiver machen und sie in der Berufswelt fördern kann.
Bekommen Sie die Rückmeldung, dass Sie ein Vorbild sind und dadurch technische Frauenkarrieren fördern?
Brigitte Bach: Ja, sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Im privaten durchaus hinsichtlich der Ausbildungswahl, zum Beispiel studiert die Tochter einer Freundin jetzt Physik. Ich denke nicht, dass ich da die alleinige Auslöserin bin. Aber sicher spielt es auch eine Rolle, dass sie sieht, dass es geht und eine interessante Möglichkeit ist. Im beruflichen Umfeld glaube ich, dass ich Mut machen kann, dass Frauen dabeibleiben und ihren Karriereweg gehen, egal ob es eine Expertinnen-Karriere oder eine Karriere Richtung Führungskraft ist. Und ich kann zeigen, dass ich als Führungskraft authentisch hinter gewissen Werten stehe.
Hatten Sie selber Vorbilder in dieser Hinsicht?
Brigitte Bach: Ich glaube, wenige. Ich habe mir immer sehr stark überlegt: Was ist mir wichtig zu erreichen, zu gestalten, zu verändern? Für mich stand im Vordergrund, Visionen zu kreieren und diese dann umzusetzen.
Sie sprechen Visionen an – das passt gut zu der Frage, welche Innovationen wir als Gesellschaft fördern sollten. Was halten Sie hier für vorrangig?
Brigitte Bach: Für Europa ist es notwendig, die Energiewende zu schaffen, eine Verkehrswende zu schaffen, den Klimawandel einzudämmen. Aber wir müssen ebenso den Produktionsstandort erhalten und insbesondere in Schlüsseltechnologien vorne bleiben, um exportfähig zu sein. In all diesen Bereichen braucht man Innovation – technische Innovation, aber auch Innovation in den Unternehmen, in der Kultur, in der Gesellschaft.
Welche Schlüsseltechnologien meinen Sie damit?
Brigitte Bach: Allen voran den Bereich erneuerbare Energien, elektrische Netze und auch Resilienz, also wie man sich gegen den Klimawandel schützen kann. Auch im digitalen Bereich haben wir noch viel Potenzial sowohl für die Energiewende selbst, wie z. B. mit Energiegemeinschaften, als auch darin, wie man Menschen ihren Energieverbrauch besser darstellt und dienliches Verhalten im Sinne der CO2-Reduktion unterstützt. Für Elektromobilität, Heimspeicher oder die Industrie sind Batterien nötig, die stärker, besser und vor allem umweltfreundlicher sind. Außerdem tragen auch künstliche Intelligenz und Quantencomputer zu guten gesellschaftlichen Anwendungen bei.
Wie kann uns das als Gesellschaft gelingen und wie können wir die besten – auch weiblichen – Köpfe dafür gewinnen?
Brigitte Bach: Das Wichtigste ist, dass jede Person den Weg findet, der für sie richtig und gut ist, und sich von niemandem irgendwohin schubsen lässt. Und dass man andere dabei unterstützt, diesen Weg zu gehen. Speziell an die jungen Frauen appelliere ich, sich nicht beirren zu lassen, Netzwerke mit Verbündeten zu bilden, sich mit Freundinnen auszutauschen und sich Mut zu holen, wenn etwas schiefgeht. Die Hauptsache ist, dranzubleiben und das, was man an Kultur und Rahmenbedingungen braucht, auch in einem Unternehmen einzufordern.