Eine Geschichte vom Gartenglück

 

Manchmal träume ich vom blitzblanken, fachmännisch gepflegten Garten: die Rasenkanten akkurat geschnitten, das Beikraut pedantisch entfernt, die Blütenpracht terminlich abgestimmt. Dann wache ich auf und merke, es ist ein Traum. Aber das Schöne ist: Das Gartenglück ist ein schmutziger Chaot und pfeift auf Perfektion! 

 

von Judith Mederer

Staubhunde in den Ecken, Tapsfinger auf den Fenstern, Gerüche am WC: Der Gradmesser für Sauberkeit ist in Wohn-Innenräumen relativ eindeutig definiert. Mir kann’s da schon schnell einmal grausen und dann greif ich zu Staubsauger, Fetzen und Putzmittel. Und irgendwann wische ich mir erschöpft über die Stirn und freue mich: „Fertig!“ Beim Garteln ist das anders: Ein Garten ist nämlich nie in diesem Sinne schmutzig, er ist auch nie sauber oder fertig. Ein Garten ist immer richtig! Schlussendlich lande ich nach (oder vor) dem Garteln in der Hängematte und höre Gesurre von Bienen, Gemähe des Nachbar-Mähroboters, Stimmen vorbeispazierender Freundinnen. Dann streiche ich mir über die Stirn und freue mich zufrieden: „Unfertig!“ 

Erde reduziert Stress

Ganz egal, wie viel Zeit man mit der Gartenarbeit verbringt: Das Werkeln im Garten einem ausgebildeten Gärtner anzuvertrauen ist für mich, als würde jemand anders meinen Psychotherapietermin wahrnehmen. Amerikanische Studien belegen, dass der Kontakt mit dem Bodenbakterium Mycobacterium vaccae den Serotoninspiegel erhöht und Angst reduziert. Es wirkt also wie ein rezeptfreies Antidepressivum und hilft, Stress abzubauen. Dazu muss man die Erde nicht essen. Berühren reicht – auch das Einatmen bringt positive Effekte. Im Experiment waren die Versuchsmäuse, denen das Bakterium injiziert wurde, einerseits leistungsfähiger und weniger ängstlich und fanden andererseits schneller aus einem Irrgarten heraus als die Kontrollgruppen-Mäuse ohne Injektion. Gut, so verwinkelt ist unser Garten nicht, dass ich beim Herausfinden ein Problem hätte. Aber irgendeine innere Stimme lockt mich immer wieder hinein ins Grün. 

Zwischen Antrieb und Müßiggang

Die Droge Garten konsumiere ich die meisten Monate im Jahr, und deshalb pendle ich – je nachdem, wie viel Zeit ich habe oder mir nehmen will – irgendwo zwischen romantisch verwildertem und akkurat gepflegtem Garten. In der Phase der Pedanterie knie ich Stunden am Boden, reiße wie wild geworden Bauernwicken aus, schneide die Glyzinie manisch zurück als gäbe es kein Morgen. Ich suche täglich akribisch Rosenbüsche nach verblühten Knospen ab, und schneide die Äste nach Lehrbuch bis auf das nächste vollständig entwickelte Blatt zurück. 

Dann aber, wenn mich die Trägheit überkommt, genieße ich das Drumherum, so wie es ist. Dann lasse ich Brennnessel Brennnessel sein und pfeife auf Düngung. Die schönsten Überraschungen kommen sowieso, wenn nicht jedes unbekannte Gräschen gleich ausgerupft wird. Weil das übersehene „Unkraut“ entpuppt sich gern als Akelei oder Schlüsselblume oder was unbekanntes Hübsches, das Wind oder Vogel portofrei zugestellt hat. 

Einen Monat aufs Mähen verzichten

Der aus Großbritannien kommende „No Mow May“, zu dem jeden Mai aufgerufen wird, kommt mir in der Phase des Müßiggangs auch gelegen. Den ganzen Monat wird der Rasen nicht gemäht. Ziel dieser Aktion ist es, den Insekten genügend Nahrungsquellen und Nistmöglichkeiten zu bieten, indem man Wildkräutern und Blumen wie Gänseblümchen die Chance gibt, sich zu vermehren. Zugegeben, das halte ich nicht ganz durch, da juckt’s mich in den Fingern. Rasenmähen mag ich nämlich sehr gern. Und auch am Ergebnis habe ich meine Freude: Neben kurz geschnittenem Rasen kommt das Drumherum-Geblühe noch besser zur Geltung, finde ich. Seit ein paar Jahren fahre ich allerdings Slalom um Gänseblümchen- und Vergissmeinnicht-Inseln und lasse Teile des Rasens einfach wachsen. Ich hoffe beharrlich, dass irgendwann die ausgesäte Sommerblumenwiese hält, was sie verspricht: nämlich eine Sommerblumenwiese! Der Garten macht seine Geschenke oft ungeplant und manchmal auch nie, aber ich hoffe auch weiterhin und die eine oder andere Margerite hat sich ja schon verirrt! (Vielleicht ringe ich mich doch noch einmal dazu durch, die Sommerwiesen-Aussaat einem Profi-Gärtner zu übertragen … eine andere Geschichte.)

Wilde Ecken wild lassen

Aber zurück zum „Saubermachen“. Verwelkte Blumen und Büsche habe ich im Herbst stehen gelassen, so wie sie sind. Als Winterdomizil für Insekten. Das verwelkte Geäst und abgefrorene Zweige entferne ich jetzt mit Freude. Vielerorts lugen schon kleine frisch-gesunde Pflanzenspitzelchen hervor. Wie schön!  Zum Frühjahrssputz im Garten gehört auch, das im Herbst angehäufte Laub zu entfernen. Igelfreunde wissen, dass man das nicht vor Ende April machen soll. Die stacheligen Winterschläfer wachen je nach Witterung ja mitunter erst Mitte April auf. Fauchend machte mich ein in der Winterruhe gestörter Igel letztes Jahr darauf aufmerksam, als ich zu früh den Laubhaufen entfernen wollte. Also: wilde Ecken wild lassen!

So gesehen beschränkt sich das Saubermachen im April darauf, die Winterüberbleibsel zu entfernen, vielleicht ein paar Hände voll Hornspäne zu den Büschen, hier und dort die Erde harken und dann: Genieß Paradies!