Ein Heer von Unsichtbaren
Selbst etwas sauber zu halten ist ebenso eine Frage der Haltung wie die Wertschätzung jener, die für Sauberkeit sorgen. In beidem sind wir nur mäßig gut.
von Wilhelm Ortmayr
Auch wenn es kaum jemand weiß: Die Welt feiert am 8. November den „Tag der Putzfrau“. Schutzpatronin der Reinigungsfrauen ist entweder die (fiktive) Putzfrau Karo Rutkowsky oder ihre Erfinderin, die deutsche Krimiautorin Gesine Schulz. Die Wahl des 8. November als Datum stammt aus einem von Schulz‘ Romanen, in denen Karo Rutkowsky als schwarz arbeitende Putzfrau und Privatdetektivin die Hauptrolle spielt.
Und die Männer?
Die Männer putzen nicht. Zumindest nicht bei Schulz. Und nicht im Haushalt. Dort bleiben drei Viertel des Reinemachens den Frauen. Außerhäuslich aber kümmern sich die Herren der Schöpfung weit öfter und intensiver um Sauberkeit, als man vermuten würde. Sprich: dort, wo diese Tätigkeit auch bezahlt wird.
Saubermachen, Putzen, Großreinigen – ein Gutteil dieser Arbeit geschieht quasi vor unseren Augen und doch nehmen wir es kaum wahr – nicht einmal, wenn die Arbeit im öffentlichen Raum geschieht. Dabei sind es so viele, die dort für Sauberkeit sorgen. In den Salzburger Landeskliniken ist beispielsweise gut jede oder jeder zehnte Bedienstete für Reinigungsarbeiten zuständig. Beim Magistrat kümmern sich mehr als 70 Mitarbeiter um nichts anderes als darum, dass wir nicht im Dreck ersticken – da ist die Müllabfuhr aber noch gar nicht mitgerechnet. Bei den ÖBB sind es viele Tausend. Sie haben sich um 1033 Bahnhöfe, 2,8 Millionen Quadratmeter Boden, 240.000 Quadratmeter Glasflächen und über 6.000 Mistkübel zu kümmern, von den vielen Zuggarnituren ganz zu schwiegen.
Die Stadt Salzburg hat für die manuelle Reinigung tagaus, tagein elf „Saugis“ mit maximal je fünf Mitarbeitern im Einsatz, dazu kommt das schwere Gerät: zehn Kehrmaschinen, drei Unimog-Kehrmaschinen, drei Wasserwagen und zwei Saugspülwagen. Die Feinde der Jungs (hier sind es tatsächlich großteils Männer) sind vielfältig und werden angeführt vom Taubendreck, einer wahren Plage. Aber auch Zigarettenstummel bei Haltestellen und vor Gastrobereichen sind nicht auszurotten. Was sich in den letzten Jahren extrem verstärkt hat: Graffiti, das Aufkleben von Pickerln, die mutwillige Zerstörung von Mistkübeln und von anderen öffentlichen Einrichtungen.
Eine besondere Dreckbekämpfungseinheit in der Landeshauptstadt sind die sogenannten Müllbusters – das sind über 200 städtische Mitarbeiter, die sich aus den verschiedensten Abteilungen zusammensetzen. Sie rücken alljährlich zu Frühjahrsbeginn aus. Unterstützt werden sie durch gezielte Hinweise zu Müllsünden aus der Bevölkerung. Im Vorjahr waren das knapp 200 Tipps. „Dadurch konnten wir gut versteckte Mülldeponien mit Kühlschränken, Reifen oder Fahrrädern aufspüren und den Abfall entsorgen“, erzählt Martin Schierhuber vom Amt für öffentliche Ordnung. Ein immer größer werdendes Problem ist der Kleinmüll, vorwiegend Pet-Flaschen und Take-away-Verpackungen – ob an den Salzachböschungen, in Parks, entlang der Straßen. „Es wird leider immer mehr achtlos weggeworfen.“
Man nennt dieses grausliche Phänomen „Littering“, die Hauptübeltäter sind laut deutschen Studien nicht Kinder und Jugendliche, sondern junge Erwachsene in den Zwanzigern. Die Ergebnisse der Studie belegen außerdem, dass in den seltensten Fällen ein Mangel an Entsorgungsmöglichkeiten ausschlaggebend ist, denn bei nahezu der Hälfte der Littering-Abfälle befand sich der Abfallbehälter in unmittelbarer Nähe. Österreichweit geht es dabei um mehr als 83.000 Tonnen Abfall pro Jahr, deren Entsorgung knapp 160 Millionen Euro kostet. Das ist das Sechsfache von „normalem“ Abfall.
Anders als bei der Stadt ist die Sauberkeit in den Landeskliniken überwiegend Frauensache. Das putzende Personal ist in mehrere Zuständigkeitsbereiche gegliedert. Manche reinigen nur Allgemeinflächen, sind also nicht einem gewissen Klinikbereich zugewiesen, andere hingegen zählen zu den „hauswirtschaftlichen Diensten“, die nicht nur reinigen, sondern auch für gewisse Patientenservices wie die Essensausgabe zuständig sind. Ein ganz spezielles Thema sind OP-Räume, Isolierzimmer und andere heikle Bereiche. „Dafür braucht es speziell geschultes Personal“, erklärt Harald Eder von den SALK. „Die Mitarbeiter müssen teils spezielle Kleidung tragen und wissen, was sie wie angreifen dürfen und was gar nicht.“
Gesäubert wird in den SALK mehr oder weniger rund um die Uhr, also im laufenden Betrieb, auch nachts ist dafür Personal vor Ort. Die meisten der putzenden Frauen sind allerdings keine Landesbediensteten, sondern Angestellte externer Reinigungsfirmen. Diese Auslagerung wurde in der Ära Burgstaller forciert und mit dem Slogan „Jeder soll machen, was er am besten kann“ argumentiert. Tatsächlich spart das Outsourcing dem Land jährlich eine siebenstellige Summe, denn der Kollektivvertragslohn (2000 Euro brutto für Einsteiger) der Putzfirmen liegt deutlich unter dem, was man beim Land verdienen würde. Außerdem sind die Krankenstände bei den Leasingmitarbeitern geringer, weiß man beim Klinikmanagement.
Viele Frauen, hohe Fluktuation, hoher Migrantenanteil – das Mitarbeiterpotenzial aller Reinigungsfirmen ähnelt einander sehr. Ähnlich dem Paketbotendienst bei Männern steht Putzen bei Frauen auf der untersten Stufe der Jobpyramide, ein klassischer Einstiegsjob für jene, die noch kaum Deutsch können und keine Qualifikationen mitbringen. „Teilweise kämpfen wir damit, dass einige Kräfte nicht einmal die Sprachkenntnisse für den einfachen Reinigungsdienst mitbringen“, beschreibt Eder den akuten Personalmangel der gesamten Branche. Die Arbeitsbedingungen selbst hätten sich für die Frauen zuletzt aber spürbar verbessert. „Seit die zumutbaren Reinigungsleistungen gesetzlich festgelegt sind, können die Firmen den Mitarbeiterinnen keine utopischen Zielvorgaben mehr auferlegen, weil wir als Besteller die Normen ja ebenfalls kennen. Dumpingangebote haben da wenig Chance“, so Eder.
Im Gegensatz zu den SALK sind die Männer und Frauen, die die ÖBB sauber halten, noch größtenteils „Eisenbahner“, nämlich zu 71 Prozent. Der Herkunftsmix entspricht hier weit eher jenem der Durchschnittsgesellschaft als bei reinem Leasingpersonal. Auch die Teilzeitquote ist mit nur 5,6 Prozent auffallend gering. Trotz der nicht geringen Zahl der nachts zu leistenden Arbeitsstunden ist die Fluktuationsquote niedrig, sie beträgt beim Eigenpersonal nur fünf Prozent, beim von Leasingfirmen gestellten Personal hingegen 43 Prozent. Unter den „Alt-Eisenbahnern und -Eisenbahnerinnen sind teilweise wirklich langgediente Kräfte“, berichtet ÖBB-Sprecher Robert Mosser.
Was alle Reinigenden und Putzenden in unserem Land eint: Die Bevölkerung ist mit ihren Leistungen überaus zufrieden – das belegen Umfragen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens –, aber wir lassen es die „guten Geister“ viel zu wenig spüren und wissen. „Ein Lob, ein Dank, vielleicht auch mal eine geschenkte Kleinigkeit tun niemandem weh“, appelliert SALK-Manager Harald Eder. Für die vielen, die sich ihren Job meist nicht wirklich aussuchen konnten, sondern ihn schlichtweg brauchen, wäre es eine Anerkennung ihrer Arbeit, die tatsächlich wichtig ist für die Gesellschaft.
Die Bewohner der Adriainsel Grado, die so stolz sind auf ihre blitzsaubere Stadt, haben das verinnerlicht. Sie grüßen des Morgens jeden „Straßenkehrer“ (darunter auch viele Frauen) auf das Freundlichste.