„Das Leben geht immer von Tag zu Tag“

 

„Ich habe Arbeit, ich habe Essen, ich habe eine Wohnung, ich habe meinen Pass“, sagt Friday Akpan spontan auf die Frage, wie es ihm gehe. Und immer hat der 33-jährige „Apropos“-Verkäufer ein freundliches Lächeln auf den Lippen . . .


von Josef Bruckmoser

 

Das erste Mal traf ich Friday zufällig an einem Freitag Nachmittag in der Getreidegasse. Er stand mit einer Handvoll Zeitungen beim Schatz-Durchhaus. Eine strategisch günstige Stelle, wo er für jede neue Ausgabe der Zeitschrift „Apropos“ schon erfreulich viele Stammkunden hat. Und vor allem viele Kontakte. „Da kann ich die deutsche Sprache üben“, betont der Migrant aus Nigeria, der am 15. September 2014 von Italien aus nach Österreich gekommen ist.

Die ersten Zeitungen hat der junge Mann schon 2015 – die Daten hat Friday Akpan genau im Kopf – in der Linzergasse verkauft. Der Einstieg bei „Apropos“ war der Glücksfall, die erste Antwort auf seine damals dringlichste Frage: „Was kann ich tun, wo kann ich arbeiten?“ Mit dem Verkauf der Salzburger Straßenzeitung kam der Stein ins Rollen, der letztendlich zum anerkannten Asylstatus führte. Denn die freundliche und offene Art des Zeitungsverkäufers am Platzl ist auch den damaligen Betreibern des Hotel Stein aufgefallen. In dem Stadthotel bekam er vom Februar 2018 bis Juni 2019 seinen ersten beständigen Job. Die Umwege über Bischofshofen und Hallein hatten damit ein Ende. Friday Akpan wurde ein Salzburger mit Leib und Seele.

„Am Anfang kannte ich hier in Salzburg keine black people, die Zeitungen verkauften. Aber jetzt bin ich mit einigen gut befreundet“, erzählt der gebürtige Nigerianer, der zu Interview und Fototermin frisch vom Friseur gekommen ist. Ein gewinnendes Auftreten und ein passendes Outfit sind dem jungen Mann wichtig. Beim zweiten Gesprächstermin empfängt Friday Akpan den Besucher in seinem perfekt gepflegten Zuhause in der Herrnau. Die Hanteln liegen in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung zum Üben bereit, auch im Fitnessstudio wird regelmäßig trainiert.

Neben den Kolleginnen und Kollegen bei „Apropos“ sind für Friday zwei afrikanische Communities in Salzburg zur neuen Heimat geworden. Die eine trifft sich auf dem Fußballplatz zu afrikanischen Meisterschaften. Angetreten wird in farbenfrohen Dressen. Die genaue Herkunft der einzelnen Spieler ist dabei nicht so wichtig. Selbstverständlich spielt der gebürtige Nigerianer meist mit Freunden aus Nigeria. Aber die Goldmedaille, die er stolz in seinem Wohnzimmer präsentiert, hat er mit Gambia errungen. „Ich habe für Gambia gespielt, weil die sonst keine Mannschaft zusammengebracht hätten.“

Die zweite Community trifft sich am Sonntag zum Gottesdienst der „Last Minute Grace Ministry“. Friday Akpan hat in seinen ersten Jahren in Salzburg viel Unterstützung von dieser christlichen Gemeinschaft erfahren und fühlt sich seither mit den zwei, drei Dutzend Menschen dort verbunden. Er ist tief überzeugt, dass Gott ihn gesegnet hat. Sonst wäre das alles hier in Österreich nicht so gut für ihn gelaufen. Zum Beispiel dass er stolzer Besitzer eines österreichischen Passes ist, ausgestellt für fünf Jahre vom Bundesamt für Fremdenwesen/Asyl und gültig für alle Staaten der Welt – ausgenommen Nigeria. Dahin gibt es für Friday, der mit dem „Kingian Nonviolence Transformation Training“ nach dem Vorbild von Martin Luther King in Verbindung war, kein zurück.

Der Pass, die E-Card, die ÖBB-Vorteilscard, das Busticket für die Fahrt in die Arbeit: Friday ist für den Alltag in Österreich besten gerüstet. Zu seinen wertvollsten Dokumenten gehört der Asylbescheid. In Nigeria musste Friday Sunday Akpan, wie er mit vollem Namen heißt, neben seinen Eltern seine zwei Brüder Toni Sunday und Bassi Sunday sowie seinen 14-jährigen Sohn zurücklassen. Auch seine jetzige Familie kann nicht zusammenleben. Der jüngste Sohn wurde am 6. Mai 2021 im L‘hôpital Femme Mère Enfant in Lyon geboren, weil die Mutter keine österreichische E-Card hatte. Seither leben Mutter und Kind in Frankreich. Zu Weihnachten hat ihnen der Vater 200 Euro überwiesen.

Dass das möglich war, hängt mit seiner guten Integration in der Arbeitswelt zusammen. Friday ist fix bei einer Metallbaufirma nahe Salzburg angestellt. „Meistens fahre ich um 6.25 Uhr von meiner Haltestelle an der Alpenstraße in die Firma. Da geht sich dann oft eine Überstunde aus.“ Seinen Chef schätzt er sehr. Zu Weihnachten hat er ihm eine SMS voller guter Wünsche geschickt: „I wish you a life of milk and honey, joy, property, long life, welcome to 2022, a year of no regret.“

Das Einkommen aus dem Betrieb reicht für Wohnung und Lebensunterhalt. Der Straßenverkauf von „Apropos“ ist aber nicht nur ein Zubrot, es ist sein ganz persönlicher Draht zu seinen Kundinnen und Kunden. Mit denen verbindet ihn oft schon mehr als eine rein geschäftliche Beziehung – wiewohl Friday großen Wert darauf legt, dass der Zeitungsverkauf und das Private streng getrennt bleiben. „Ich gebe das Wechselgeld immer genau heraus“, betont er. Wenn die Zeitung drei Euro kostet und mit einem Fünf-Euro-Schein bezahlt wird, bekommt der Käufer oder die Käuferin zwei Euro zurück. Dann ist das Geschäft abgeschlossen. Oft gibt es die zwei Euro nachher als Trinkgeld. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Wie gut der Verkauf läuft, ist nach Jahreszeit verschieden. Der Sommer ist eine gute Zeit. Da können an einem Tag bis zu 20 Zeitungen den Besitzer wechseln. Der Höhepunkt des Jahres ist Weihnachten. Da haben die Kundinnen und Kunden eine offene Hand. Am 22. Dezember vergangenen Jahres hat Friday nicht nur 24 Zeitungen an einem Tag verkauft. „Die Leute haben mich zu Weihnachten auch großzügig beschenkt“, erzählt er. Am Ende ging sich davon das 200-Euro-Geschenk an seinen kleinen Sohn in Frankreich aus.

„Das Leben ist ein Geben und Nehmen“, sagt der Mann, der in einem afrikanischen Kulturkreis aufgewachsen ist. „Bist du freundlich zu den Leuten, dann sind die Leute freundlich zu dir.“ Seit er in Österreich lebt, wurde er immer wieder von einer Station an die nächste weiter empfohlen: „Friday ist ein guter Mann!“, hieß es. Mit seiner umgänglichen und hilfsbereiten Art hatte er für die vielen Hürden des Asylverfahrens in Österreich gute Karten. Auf die hofft er weiterhin, vor allem was den Verbleib seines jüngsten Sohnes betrifft.

„Das Leben geht immer von Tag zu Tag“, sagt Friday Sunday Akpan. „Es hat mich bis hierher gebracht, und es wird mich weiterbringen.“