
Bunte Vielfalt in Salzburg
In Salzburg steht die erste Septemberwoche im Zeichen des Regenbogens. Die HOSI plant ein buntes Programm für das Pride Festival. Den krönenden Abschluss macht die große Regenbogen-Parade am 6. September.
von Katja Ilnizki
Von Kanada bis Argentinien, von Namibia bis Thailand, in den USA und Europa gehen jedes Jahr im Juni Millionen von Menschen auf die Straße. Sie demonstrieren für die Rechte und Sichtbarkeit der LGBTQIA+-Community – also für die Rechte jener, die lesbisch oder schwul, bisexuell, transgender oder queer leben, intersexuell oder asexuell sind oder sich weiteren Orientierungen zuschreiben. In Salzburg gibt es im Juni – im Gegensatz zu Linz oder Wien – keine Regenbogen-Parade. Zu dieser Zeit feiert die Mozartstadt das große Stadtfest und bereitet sich auf die Festspiele vor; in Salzburg ist Christopher Street Day erst, wenn beim Jedermann zum letzten Mal in der Saison der Vorhang gefallen ist. Dann geht es aber richtig los: Der Kalender ist prall und bunt gefüllt. Zum vierten Mal findet in diesem Jahr das Pride Festival statt. Von 29. August bis zum 7. September hat die HOSI rund 40 Veranstaltungen rund um die Themen der queeren Community organisiert. Sie ist schließlich die Interessenvertretung der LGBTQIA+ in Stadt und Land Salzburg.
Die beteiligen sich aber nicht an der Finanzierung des mehrtägigen Festivals. Die HOSI bekommt dafür keine öffentlichen Gelder; sie ist komplett auf Spenden angewiesen. Und das hat sich in diesem Jahr schwerer gestaltet als sonst, erzählt die HOSI-Geschäftsführerin Conny Felice. Grund dafür ist nicht zuletzt der erneute Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus. Mit dem republikanischen US-Präsidenten ist der Ton gegenüber der Community wieder rauer geworden, die Gesetze strenger und die Toleranz niedriger. So schrecken weltweit Unternehmen vor Solidaritätsbekundungen gegenüber der queeren Community zurück – aus Angst vor wirtschaftlichen Konsequenzen. „Wir spüren das auch in der Kassa. Wir haben beim Pride Festival tatsächlich einen Rückgang an Sponsor:innen, die sich engagieren. Also das ist schon eine Grundstimmung, die wahrnehmbar ist“, sagt Felice.
Konservative Stimmen erleben einen Aufschwung. Auch im Salzburger Chiemseehof weht in diesem Juni keine Regenbogen-Fahne. Die schwarz-blaue Landesregierung hat dem Vorschlag der Grünen eine klare Absage erteilt. Conny Felice ärgert das nicht. Sie wünscht sich ohnehin, dass weniger über bunte Flaggen, sondern vielmehr über Inhalte diskutiert wird. Das erhofft sie sich spätestens für Ende August: „Das Pride Festival hilft uns, unsere Themen in der Gesellschaft zu verankern. Dazu braucht es Dialogräume und Dialogmöglichkeiten. Und das gelingt durch ein möglichst vielfältiges und breites Veranstaltungsprogramm“, sagt Felice. Und so stehen zum Auftakt eine Schnitzeljagd und ein queeres Speeddating auf dem Programm, gefolgt von Kochabenden und Picknick über eine Museumsführung, einen Quiz- und Filmabend bis zur Karaoke-Nacht. Bei allen Veranstaltungen haben queere Menschen die Gelegenheit, miteinander ins Gespräch zu kommen, und auch Familienangehörige können sich informieren, Fragen stellen und Unsicherheiten loswerden. Denn darum gehe es am Ende – die Aufgabe der HOSI sei es, Aufklärungsarbeit zu leisten, sagt Felice. „Es geht nicht darum, die hundertste Drag-Show zu promoten. Es geht darum, dass ein Jugendlicher im Innergebirg angstfrei sein Coming-out gestalten kann.“
Trotz gesellschaftlicher und rechtlicher Fortschritte ist die LGBTQIA+-Community nach wie vor mit Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt konfrontiert. Studien zeigen auch, dass insbesondere transgender Jugendliche eine deutlich höhere Suizidrate aufweisen als cisgender Teenager. Queere Menschen generell leiden häufiger an psychischen Erkrankungen wie beispielsweise Depressionen. Meist erst dann – wenn der Leidensdruck groß ist – suchen sie den Weg in die Praxis von Patrick Leitner-Schertler. Er ist Psycho- und Sexualtherapeut in Salzburg und begleitet Menschen auf ihrem Weg der Selbstfindung zum Coming-out. „Das, was am meisten gelebt wird, ist richtiger“, beschreibt Leitner-Schertler das vorherrschende Bild. „Meistens kommen Menschen zu mir, die sich in ein Leben manövriert haben, das von ihnen erwartet wurde. Sie haben nicht den Mut oder die Kraft aufgebracht, sich zu befreien, und gehen dann einen vorgezeichneten Weg – heiraten, Haus bauen, Kinder kriegen.“ Die Gründe dafür seien vor allem gesellschaftliche Konventionen und das Elternhaus; die Angst, verstoßen zu werden oder den Erwartungen nicht zu entsprechen. Das führt im schlimmsten Fall zur Depression oder gar zum Suizid.
Das soll keinesfalls mehr passieren. Um es queeren Jugendlichen heute leichter zu machen, ist die HOSI im ganzen Bundesland unterwegs. Insbesondere in ländlichen – oft konservativeren – Regionen haben es LGBTQIA+ schwer. Für Conny Felice ist jeden Tag Pride-Monat. Sie geht beinahe täglich an Schulen und in Vereine, um Aufklärungsarbeit zu leisten und zu zeigen: Auch der queere Lebensweg wird gelingen! Und so findet beim Pride Festival auch zusammen, was auf den ersten Blick scheinbar nicht zusammengehört: Ein Höhepunkt im Veranstaltungskalender ist der queere Gottesdienst am 3. September. In der Salzburger Kollegienkirche feiern alle Interessierten einen ökumenischen Gottesdienst. Denn nur, weil die Kirche stellenweise die Community ablehnt, muss ja nicht die Community auch Religion und Glauben ablehnen. „Die Gespräche zwischen HOSI und Kirche gibt es tatsächlich schon lange. Nur sind sie nie öffentlich gemacht worden. Aber es gibt einen guten Kontakt zur Erzdiözese und jetzt wollen wir zeigen, dass das Verbindende im Vordergrund steht, nicht das Trennende“, sagt Felice. Sie habe keinen Einfluss darauf, was ein Papst in Rom sage, aber sie habe einen Einfluss darauf, mit der Kirche einen respektvollen und wertschätzenden Umgang zu pflegen. Der queere Gottesdienst im Rahmen des Pride Festivals sei ein Zeichen, nicht mehr 2000 Jahre miteinander zu streiten, sondern einen Schritt aufeinander zuzugehen.
Das Salzburger Pride Festival im September zieht von Jahr zu Jahr mehr Besucher:innen an. Im Zentrum stehen die queere Community und deren Belange: „Es braucht diese Safe Spaces, bis die Gesellschaft selbst ein Safe Space ist“, sagt Patrick Leitner-Schertler. Zum Festival und zum krönenden Abschluss, dem Christopher Street Day, sind alle Salzburger:innen willkommen. Schließlich geht es um das, was uns alle betrifft: Gemeinschaft, Solidarität und gesellschaftliche Augenhöhe.