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  1. JUNI 2025
  2. Reise durch die Migrationsgeschichte

Reise durch die Migrationsgeschichte

Auf der Suche nach Sicherheit, Nahrung oder Arbeit ist der Mensch seit jeher gewandert. Migration ist Teil der Menschheitsgeschichte und schon unsere Vorfahren sind in der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen durch die Lande gezogen. Das Buch „Zuhause ist anderswo“ beleuchtet Migrationsgeschichten aus aller Welt. Und auch das Migrationsarchiv im Haus der Stadtgeschichte bewahrt vielfältige Geschichten über Migration in der Stadt Salzburg. 

von Ricky Knoll

Das Andere steckt seit Jahrtausenden in unserem Genpool – also woher stammt die Angst vor Migration? In ihrem Sachbuch „Zuhause ist Anderswo“ (Leykam-Verlag) zeigen Historiker Hannes Leidinger und Wissenschaftsjournalistin Susanne Mauthner-Weber die Migrationsgeschichte Mitteleuropas von der Zeit Ötzis bis heute – und wie die Wanderbewegungen den technologischen Fortschritt sowie unser Überleben sicherten. Sie bringen eine Sammlung von Geschichten aus verschiedenen historischen Epochen, die nahelegt: Migration war der Normalzustand.

Gleich zu Beginn die einigermaßen überraschende Erkenntnis: Ötzi, der mumifizierte Mann vom Hauslabjoch, der vor etwa 5300 Jahren lebte, hatte mehr als 90 Prozent anatolisches Erbgut in sich, wie Genanalysen bewiesen. Das bedeutet, er stammte von Einwanderern aus der heutigen Türkei ab, die die in Europa unbekannte Landwirtschaft mitbrachten. „Ötzi selbst war kein Zuwanderer, hatte aber – wie wir heute sagen würden – Migrationshintergrund“, formuliert die Autorin. Derartiges lässt sich heutzutage mittels Archäogenetik gut feststellen.

Ebenso der „Amesbury Archer“ – der Bogenschütze von Amesbury –, den manche Archäologen als „König“ oder „Baumeister von Stonehenge“ bezeichnen. Bei den Analysen staunten die Forscher:innen nicht schlecht: Alles deutet darauf hin, dass er zwischen 2400 und 2200 v. Chr. gelebt hat, genau die Zeit, als die großen Steine aufgestellt wurden, und er stammte aus der alpinen Region Mitteleuropas – Süddeutschland, Schweiz, Österreich –, möglicherweise von den ostösterreichischen Alpen.

Die Art und Weise, wie die Autorin und der Autor historische und soziale Kontexte in ihre Analyse einbeziehen, macht deutlich, dass das Konzept von „Zuhause“ nicht nur ein individuelles Gefühl ist, sondern auch tief in gesellschaftliche und politische Strukturen eingebettet ist. Die Autor:innen erläutern, wie Migrant:innen oft zwischen zwei Welten hin- und hergerissen sind – einerseits dem alten Heimatland und andererseits der neuen Heimat, die für sie nie ganz vollständig „Zuhause“ werden kann. „Die Sesshaftigkeit ist weitgehend ein Konstrukt – nämlich ein konservatives, nationalistisches, ausschließendes Konstrukt“, stellen Autorin Mauthner-Weber  und Autor Leidinger fest.

Sie haben bei der Auswahl der Persönlichkeiten und Beispiele darauf geachtet, dass sich unterschiedliche Motive für Migration widerspiegeln. „Menschen, die die Heimat aus Abenteuerlust verlassen haben oder weil wirtschaftlicher Aufstieg lockte, kommen genauso vor wie jene, die wider Willen entwurzelt wurden.“ Die Fluchtursachen klingen vertraut: Vertreibung, Zwangsdeportation infolge politischer wie religiöser Verfolgung und kriegerische Handlungen – noch heute Hauptursachen, Zuflucht und „Heimat anderswo“ zu suchen und zu finden.

Ein lebendiges Zeugnis der Migration in Salzburg

Eine vielfältige Sammlung von Migrationsbiografien findet sich auch im Salzburger Migrationsarchiv im Haus der Stadtgeschichte. Angeregt durch die Migrationsexpertin Sylvia Hahn und in Kooperation mit der Universität Salzburg beschloss die Stadt Salzburg im Rahmen des Projekts „Wissensstadt Salzburg“ im Mai 2014, die Sammlung Migrationsarchiv aufzubauen.

Sylvia Hahn, Historikerin und Vizerektorin der Universität Salzburg, verfolgte das Ziel, die Geschichte der Migration in Salzburg sichtbar zu machen und für die Forschung aufzubereiten. Dabei verfolgt das Archiv einen breiten Migrationsbegriff, der Arbeitsmigration, Binnenwanderung und Auswanderung gleichermaßen umfasst. Ausgangspunkt waren Materialsammlungen, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen an der Universität Salzburg und gemeinsamen Ausstellungen von Universität und Stadtarchiv entstanden sind. „Bei dieser Lehrveranstaltung (im Rahmen der Wissensstadt Salzburg) von Sylvia Hahn führten Studierende Interviews mit Migrant:innen, sammelten Fotos und Dokumente“, schildert Silvia Panzl-Schmoller vom Stadtarchiv. Da-raufhin folgten die Überlegungen, was mit den gesammelten Informationen geschehen sollte. „Die Entscheidung fiel – unter maßgeblicher Beteiligung des früheren Bürgermeisters Heinz Schaden –, alles im Haus der Stadtgeschichte unterzubringen und ein eigenes Migrationsarchiv aufzubauen, das ich zusammen mit der nunmehrigen Leiterin Sabine Veits-Falk 2016 begann“, ergänzt Panzl-Schmoller.

Seit 2017 ist das Migrationsarchiv mit einer Homepage online, zur Verfügung stehen zwei Versionen. Die eine, die im Internet den Überblick über die Sammlungen und Inhalte des Archivs gibt, die zweite – erweiterte –, mit der Studierende und Forschende im Haus eine vertiefte Recherche anstellen können.

Das Migrationsarchiv gliedert sich in mehrere thematische Sammlungen:

Sammlung Migrationsstadt: Diese Sammlung entstand mit den Ausstellungen „Migrationsstadt Salzburg“ 2013, 2014 und 2016 und umfasst Interviews mit Migrantinnen und Migranten, die ihre Erfahrungen in Salzburg schildern.

Sammlung Migrationsbiografien: Hier werden lebensgeschichtliche Interviews (Oral History) präsentiert, in denen die Interviewpartner ihre Migrationserfahrungen und Lebensgeschichten erzählen.

Sammlung Videohistory: Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Dokumentarisch arbeiten mit audiovisuellen Medien“ an der Universität Salzburg wurden Interviews mit Migrantinnen und Migranten durchgeführt und filmisch dokumentiert.

Zusätzlich gibt es Sammlungen zu Themen wie den „Südtiroler Optant:innen* 2. Generation“, der „Ungarnflucht 1956“ und „Religionen in Diaspora“ in Zusammenarbeit mit der Theologischen Fakultät. „Bei der Südtiroler Option mussten sich die Leute aufgrund des Hitler-Mussolini-Abkommens entscheiden, als italienische Staatsbürger ohne Minderheitenschutz und bei einer verschärften Italienisierung in ihrer Heimat zu bleiben oder ins nationalsozialistische Deutsche Reich, zu dem seit 1938 auch Österreich gehörte, umzusiedeln. Die Geschichten dieser 2. Generation interessierten uns, da es leider nicht mehr möglich war, die 1. Generation zu interviewen“, erklärt die Mitarbeiterin des Stadtarchivs.

Ergänzend bilden Expert:innen-Interviews in der Sammlung „Flucht 2015“ einen wertvollen Bestandteil des Migrationsarchivs. „Geführt hat sie Altbürgermeister Heinz Schaden mit Personen, die 2015 bei der größten Fluchtbewegung dabei waren, beispielsweise Landesrätin a. D. Doraja Eberle oder Manfred Lindenthaler, Kommandant der Stadtpolizei Salzburg. Schaden hat darüber das Buch ‚Die große Flucht 2015‘ geschrieben und uns dankenswerterweise alle Interviews zur Verfügung gestellt“, so die Historikerin.

In den Archivräumen verwahren die Mitarbeiter:innen wertvolle historische Dokumente, die ebenfalls Zeugnis von Migrationsbiografien abgeben: den Gesellenbrief eines Schuhmachers auf der Walz, dessen Name nur mehr schwer entzifferbar ist, aber sehr deutlich die Silhouette der Stadt Salzburg zeigt, und die „zuständigen“ Heiligen, die diesen Gesellen auf Wanderschaft begleiten und beschützen sollen. Wahrscheinlich hieß er Nicolus Langwart. Einen schweren Wälzer bringt Silvia Panzl-Schmoller ebenfalls aus dem Archivraum: das Reisepassverzeichnis der Jahre 1844–49. Darin sind genau jene Personen angeführt, für die ein Reisepass ausgestellt wurde.

Mit dem Migrationsarchiv hat die Stadt Salzburg nicht nur eine Sammlung von Materialien, sondern auch einen Ort der Präsentation und Vermittlung. Insbesondere mit den Ausstellungen „Migrationsstadt Salzburg“ wurden die gesammelten Materialien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und die Geschichte der Migration anschaulich dargestellt. Diese Ausstellungen fanden unter anderem am Makartsteg statt und wurden von der Universität Salzburg und dem Stadtarchiv Salzburg organisiert. Darüber hinaus wurden in der Schriftenreihe des Stadtarchivs Salzburg mehrere Publikationen veröffentlicht, die sich mit der Migrationsgeschichte der Stadt befassen. Dazu gehören unter anderem „Migrationsstadt Salzburg“ und „Migrationsstadt Salzburg. Arbeit, Alltag und Migration 1960–2010“.

Das Migrationsarchiv der Stadt Salzburg leistet damit seinen Beitrag zur Erforschung und Vermittlung der Migrationsgeschichte der Stadt Salzburg. Es ermöglicht einen differenzierten Blick auf die Erfahrungen von Migrant:innen und trägt dazu bei, ihre Geschichten im kollektiven Gedächtnis der Stadt zu verankern. Durch die kontinuierliche Erweiterung der Sammlungen und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen wird das Archiv auch in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Migrationsforschung spielen. „Wir arbeiten ständig daran, neue Biografien aufzunehmen, aber es wird immer schwieriger, Interviews mit Zeitzeugen zu bekommen, beispielsweise mit jenen, die von der Ungarnflucht 1956 berichten können“, schildert Panzl-Schmoller und verweist auf den sorgfältigen Umgang mit den individuellen Geschichten, die ja sehr persönlich sind. „Was wir auch gerne aufnehmen, sind Fotos und Dokumente zur Veranschaulichung. Die können wir entweder bei uns lagern oder kopieren und wieder zurückgeben.“

Für Interessierte bietet das Migrationsarchiv nicht nur eine wertvolle Quelle für wissenschaftliche Arbeiten, sondern auch einen Einblick in die vielfältige Geschichte der Migration in Salzburg. Die Materialien sind im Haus der Stadtgeschichte für alle einsehbar, eine vorherige Anmeldung wird empfohlen, um eine individuelle Betreuung bei der Nutzung der Sammlung zu gewährleisten. „Wir sind stolz darauf, das erste und bis jetzt auch einzige Migrationsarchiv auf kommunaler Ebene anbieten zu können. Wir stellen hier eine professionell gestaltete und wissenschaftlich fundierte Quellensammlung zur Verfügung, die für alle Interessierten zugänglich ist. Das Projekt hebt die Bedeutung der Migration für die Stadtgeschichte hervor und leistet einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur.“   

*Optant:innen: Personen, die sich in einem historischen oder rechtlichen Kontext für eine von zwei (oder mehreren) Staatszugehörigkeiten entscheiden mussten.

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