Wenn Träume wahr werden

 

von Christine Gnahn

 

Wenn Halaoui Bogontozu den Raum betritt, ist das ein bisschen, wie wenn die Sonne aufgeht. Seine sonore Stimme erfüllt den Raum, sein Lächeln ist breit – das sieht man trotz der Maske, die er trägt. Sicher hat Halaoui in der Vergangenheit viel erlebt, das ihn in seiner Grundstimmung herunterziehen könnte. Doch das passiert nicht. „Ich behalte meinen Blick für das Positive, immer“, erklärt er. Aufgewachsen ist der junge Mann in Kpalimé, mit etwa 75.000 Einwohner*innen die viertgrößte Stadt Togos, Afrika. Landschaftlich ist diese Heimat wunderschön und bietet neben einer Vielzahl an sattgrünen tropischen Pflanzen den 986 Meter hohen Berg Agou und zahlreiche Wasserfälle. Große Kaffee- und Kakaoplantagen schmiegen sich in diese Landschaft. Kaffee und Kakao werden seit der Kolonialisierung gerne aus Togo bezogen. Dass Halaoui seine Heimat verlassen wollte, hat politische Gründe. Man merkt im Gespräch, dass er darüber nicht weitersprechen möchte. Nur so viel: „Hier in Österreich kann ich freier leben.“ Etwas, das mich angesichts der Black-Lives-Matter-Debatten erstaunt, die leider auch im Jahr 2020 noch notwendig waren. Dass sich Halaoui in seiner Heimat nicht frei fühlen konnte, könnte einen traurig stimmen – seine Heimat verlassen zu müssen und nicht über die Mittel zu verfügen, seine Eltern und Geschwister (Halaoui hat einen Bruder und eine Schwester) regelmäßig oder überhaupt zu besuchen, muss schließlich sehr hart sein. Auf der anderen Seite steht die große Freude darüber, dass er es geschafft hat, sich hier eine Existenz aufzubauen, sich trotz Alltagsrassismus, den es zweifelsohne gibt, wohl und frei zu fühlen.

Halaoui kommt 2011 nach Salzburg, von Anfang an mit einem großen Ziel vor Augen: „Ich wollte unbedingt ein Teil der Gemeinschaft sein.“ Das wichtigste Werkzeug, um dieses Ziel zu erreichen, liegt für ihn auf der Hand: die Landessprache zu erlernen. „Ich wusste ganz genau, dass man sich in einem fremden Land nur dann wirklich integrieren kann, wenn man die Sprache beherrscht. Ohne Sprache kann man nichts machen. Was auch immer ich sagen möchte, kann ich kaum ohne die entsprechenden Worte“, beschreibt er. Dafür fängt er bei null an, versucht, sich so viel wie möglich mit Menschen zu unterhalten und dabei sein Vokabular aufzubessern, nimmt Sprachkurse in Anspruch und stürzt sich dann auf das nächste Riesenprojekt: der Pflichtschulabschluss in deutscher Sprache. „Es war nicht einfach“, sagt Halaoui rückblickend, „doch wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Wie erfolgreich er diesen Weg gegangen ist, wird im Gespräch überdeutlich: Wir führen es vollständig in deutscher Sprache. Den nächsten wichtigen Schritt sieht er darin, eine Arbeit zu finden. Obwohl er das von Anfang an will, gestaltet es sich aufgrund der rechtlichen Lage schwierig. Doch Halaoui packt es gut an: Er kennt mittlerweile viele Menschen in Salzburg, hat sich einen Freundeskreis aufgebaut. So lernt er 2015 über diesen auch Apropos kennen. „Mein Freund Ogi Georgiev hat mir erzählt, dass ich vielleicht ebenso wie er die Straßenzeitung verkaufen könnte. Daraufhin habe ich mich beworben – und diese Möglichkeit bekommen, das war toll für mich.“ Fast täglich steht Halaoui nun auf der Straße und handelt dabei nicht nur mit der Zeitung, sondern lernt noch mehr Menschen kennen. „Die Menschen sind sehr freundlich hier und ich freue mich darüber, dass ich schon so viele nette Gespräche beim Verkaufen geführt habe.“ Halaoui behält Recht mit seiner Annahme: Die Sprache öffnet ihm die Tür dazu, Teil der Gemeinschaft zu sein.

Es geht weiter bergauf für ihn. Durch sein emsiges Lernen sowie das fleißige Verkaufen von Apropos verbessert Halaoui sein Deutsch stetig. So ist er auch offen für die Vorschläge und Empfehlungen, die ihm Menschen geben, die ihn beim Verkaufen kennenlernen und ins Herz schließen. „Ich empfehle jedem, der seine Situation verbessern will, zu lernen, lernen, lernen. Neues ausprobieren und offen sein für das, was sich anbietet.“ Nach und nach schafft Halaoui auch, in der Gastronomie Arbeit zu finden, zunächst als Abwäscher, später auch als Kellner. In der Branche fühlt er sich wohl, er ist gerne unter Menschen. Am liebsten arbeitet er in der Küche mit: Denn mit Lebensmitteln beschäftigt er sich mit Leidenschaft, hat bereits als Kind Kochen gelernt und zelebriert das für sich und seine Freunde. 2020 wird Halaouis großer Traum wahr: Er bekommt eine Ausbildungsstelle als Koch in einem gehobenen Restaurant in der Salzburger Altstadt. Halaoui freut sich über diese Chance und ist sich darüber bewusst, was von ihm erwartet wird. „Pünktlichkeit und Genauigkeit sind sehr wichtig. Ich mache es genauso nach, wie es mir gezeigt wird, und ich gebe mir viel Mühe.“ Die Kocherfahrung, die Halaoui seit seiner Kindheit gesammelt hat, hilft ihm bei der Arbeit ebenso, wie seine Bereitschaft, sich einzufügen und dazuzulernen. Nach der Probezeit erfährt er, dass er bleiben darf. „Da habe ich mich wahnsinnig gefreut, denn darauf habe ich so gehofft und hingearbeitet.“

Halaoui freut sich schon sehr auf die Berufsschule, die bald ansteht, „ich lerne hier so viel über das, was mich wirklich interessiert: die Zubereitung von Mahlzeiten.“ Auch stetig neue Menschen kennenzulernen, in der Arbeit wie auch in der Berufsschule, ist für ihn eine regelrechte Antriebskraft. „Ich fühle mich voller Energie, wenn ich in einer Gemeinschaft bin und mich einbringen kann.“ Eine Energie und ein Tatendrang, die Halaoui auch in seiner Freizeit vorantreiben. Zuhause übt er nicht nur das Kochen, eine weitere große Leidenschaft hegt er für die Musik. Er spielt Gitarre, singt dazu und schreibt sogar eigene Lieder. Sein Können zeigt er gerne bei Freunden und Veranstaltungen, bringt Schwung in die Bude. „Die Musik verbindet Menschen, das habe ich schon immer so empfunden, und das hat mir auch geholfen, als ich hier in Österreich angekommen bin.“ Sport betreibt Halaoui ebenfalls gerne, am liebsten solche Sportarten, die ein bisschen Geschwindigkeit mit sich bringen und sein Gleichgewicht auf die Probe stellen: Inlineskaten zum Beispiel. Und Skifahren und Eislaufen. „Das habe ich bei einem Integrationstreffen gemacht und es war eine ganz neue Erfahrung für mich. Schnee und Eis gibt es bei uns ja nicht, aber ich habe es lieben gelernt.“

Für seine Zukunft hat Halaoui große Pläne. Er will seine dreijährige Ausbildung mit Bravour absolvieren und ein richtig guter Koch werden, die österreichische und die französische Küche kombinieren. Dafür hofft er sehr, dass er seine Stelle trotz der Covid-19-bedingten Wirtschaftskrise behalten kann. Mit diesem Artikel möchte Halaoui nicht nur seinem Arbeitgeber für die großartige Chance danken, sondern auch seinen Freunden und Bekannten für ihre guten Ratschläge: „Ich bin sehr dankbar.“ Zuletzt teilt er mit mir das Motto, nach dem er lebt, und das ihm bei seinem Weg stets geholfen hat: „Das Leben ist kurz. Wichtig ist, dass man es lebt.“