Mit Lockspeisen belohnen

Das, was uns Menschen im täglichen Zusammenleben oft schwerfällt, nämlich Kooperation zum Vorteil aller, und nicht Konkurrenz oder Ausbeutung, funktioniert bei manchen Vertretern von Flora und Fauna hervorragend – in Symbiosen. Das Wörterbuch beschreibt Symbiose (griech., bedeutet so viel wie „gemeinsam leben“) als „das Zusammenleben von Lebewesen verschiedener Art zu gegenseitigem Nutzen“. Sie profitieren vom wechselseitigen Geben und Nehmen.

von Ricky Knoll

Beim Wildrosenbusch summt es, recht lautstark. Eifrig krabbeln die Bienen an den zahllosen Blüten herum und sammeln Nahrung ein. Gleichzeitig streifen sie damit die Pollen ab, die sie zur nächsten Blüte tragen, und so ist sie bestäubt. „Das Übertragen der Pollen von männlichen zu weiblichen Blütenteilen ist ein wichtiger Prozess, den Pflanzen zur sexuellen Reproduktion, sprich zum Bilden von Samen brauchen“, weiß Biologe und Botaniker Stefan Dötterl, Leiter des Botanischen Gartens der Universität Salzburg.

Viele Pflanzen sind darauf angewiesen, von Tieren bestäubt zu werden. „Die Pflanze hat Vorteile und belohnt die Tiere mit Lockspeisen – meist Nektar, und/oder Pollen – die damit ebenfalls profitieren“, schildert der Experte und verweist darauf, dass diese Zusammenarbeit als mutualistisch bezeichnet wird. Sie hat positive Effekte für beide interagierenden Partner. Pflanzen locken mit Farbe, Form oder Duft und Nahrung, wie Nektar, Pollen oder auch Ölen, die bestimmte Bienen sammeln. Manche südamerikanische Pflanzen bieten ein Parfum als Belohnung an. Diesen Duft sammeln ausschließlich Männchen, die ihn für Paarungszwecke nutzen. Der Vorgang ist recht bemerkenswert: „Das Bienenmännchen ‚spuckt‘ ein Lösungsmittel auf die Blüte, wischt es mit den Vorderbeinen auf und transportiert die Flüssigkeit samt dem darin gelösten Duft zu einem Behälter in den Hinterbeinen“, beschreibt Dötterl. Der Duft spielt eine Rolle bei der Paarung, welchen, weiß man aber noch nicht genau. Parfumpflanzen sind beispielsweise verschiedene Orchideenarten oder Aaronstabgewächse. Die wichtigsten Bestäuber weltweit sind die zahlreichen Wildbienenarten, aber auch Fliegen, bestimmte Schmetterlingsarten, Nachtfalter, Fledermäuse oder Kolibris übernehmen diese Aufgabe.

Nach dem Motto „erlaubt ist, was gefällt“ hat sich im Lauf der Evolution eine Fülle von Interaktionsmöglichkeiten zwischen den Pflanzen und ihren Bestäubern ausgebildet. „Je nach Art hat jede sozusagen ihr eigenes ‚Steckenpferd‘ entwickelt, welche Signale sie mit Farbe, Duft etc. setzt, um die Bestäuber anzulocken.“ In der Forschung nimmt man an, dass blütenbesuchende Tiere ursprünglich spezialisierte Pflanzenfresser und an den Pollen interessiert waren. Weil sie von Blüte zu Blüte flogen, haben sie auch die Bestäubung mit erledigt. „Pflanzen nutzen bestimmte Chemikalien, um ihre Fressfeinde abzuschrecken. Im Lauf der Zeit müssen sie diese jedoch in Lockstoffe mit den bekannten Folgen bzw. Vorteilen umgemünzt haben“, vermutet der Biologe.

Aber nicht alle Gewächse setzen auf Kooperation, manche sind auf Ausbeutung aus. Sie haben sich einiges „einfallen“ lassen, um reichlich Besuch zu erhalten. Etwa vier bis sechs Prozent der Pflanzen arbeiten damit, dass sie etwas vortäuschen. Sie tun so, als wären sie ein Paarungspartner, böten Nektar oder täuschen die Möglichkeit zur Eiablage vor. „Das Verhalten ist einseitig und zum Nachteil der Tiere, weil sie Zeit verschwenden, die sie zur Nahrungssuche oder Reproduktion besser eingesetzt hätten. Aber sie schaffen es nicht, das Verhalten zu vermeiden.“ Im Gegensatz zum Mutualismus verhalten sich diese Täuschpflanzen parasitisch. Dass diese Tiere sich nicht vollends bei den Bluffern verzetteln und vielleicht sogar ihren Bestand gefährden, führt der Fachmann auf eine gewisse Lernfähigkeit zurück, indem sie diese Pflanzen irgendwann nicht mehr besuchen. „Im Großen und Ganzen überwiegt ihre Fähigkeit, geeignete Kooperationspartner zu finden und so ihrer beider Überleben zu sichern.“