Kreativ zurück ins Arbeitsleben

 

Bei der Lebensarbeit finden sie zusammen: Möbel und Menschen, die an der Oberfläche nicht perfekt sind, deren Wert man hier aber erkennt und herausarbeitet.

 

von Sandra Bernhofer

 

Gekonnt lässt der junge Mann den Stoff durch die Nähmaschine rattern. Die Schürze, die er dabei trägt, hat er selbst gemacht. Sie ist das erste Stück, das alle neuen Mitarbeiter:innen schneidern, wenn die Grundlagen sitzen, die sie in der Textilwerkstatt der Lebensarbeit in Salzburg-Maxglan erlernt haben. Nicht dass der Iraker eine Einführung gebraucht hätte: Er näht schon, seitdem er sechs Jahre alt war und hat dadurch seine Familie miternährt. Was durchaus bestürzend ist, kommt der Werkstatt zugute. Gerade schneidert er Zipfelmützen für eine Schulaufführung; unter der Anleitung der Kostümbildnerin, die die Werkstatt begleitet, durchaus auch einmal Mittelalterkostüme.

Es ist eine bunt gemischte Gruppe, die in den Kreativ-Werkstätten der Lebensarbeit der Sozialen Arbeit gGmbH werkelt. Menschen aus Palästina, Syrien, dem Iran, dem Irak, Afghanistan und Österreich arbeiten hier mit- und nebeneinander. Menschen, die keinen Hauptschulabschluss haben, genauso wie Akademiker:innen. Menschen, die noch keine Arbeitserfahrung haben, und solche, die knapp vor der Pension stehen. Eines haben sie gemeinsam: Sie haben Sozialunterstützung bezogen, haben also noch nie ins System eingezahlt oder sind aus ihm vor Jahren herausgefallen, wie Caroline Schwarzacher erklärt. Sie leitet die Einrichtung der Sozialen Arbeit gGmbH in Salzburg-Maxglan. Zwölf Plätze gibt es in den Werkstätten, jeweils auf ein Jahr beschränkt, dazu zwei längerfristige für Menschen, die so ihre Pensionsversicherungszeiten auffüllen können. Die 14 Teilnehmer:innen erhalten eine geregelte Entlohnung und sind sozialversichert. Im Arbeitstraining werden sie durch fachliche Anleitung und psychosoziale Beratung begleitet und unterstützt.

Den Weg zur Lebensarbeit weist das Sozialamt. Die Warteliste ist lang. Hinter dem schwierigen Weg in den regulären Arbeitsmarkt stehen in vielen Fällen gesundheitliche und psychische Beeinträchtigungen oder auch mangelhafte Sprachkenntnisse. Welche Ziele die Einrichtung verfolgt? „Zum einen: die Arbeitsfähigkeit zu überprüfen. Zum anderen die soziale Stabilisierung sicherzustellen, die es braucht, um einen Arbeitsplatz zu halten: eine Wohnung, gesundheitliche Probleme oder Schulden in den Griff bekommen“, sagt Schwarzacher. Zwei Personalentwicklerinnen stehen den Männern und Frauen auf diesem Weg zur Seite und beraten sich individuell auf deren Möglichkeiten, Fähigkeiten und Bedürfnisse hin zugeschnitten. In der Beobachtung und in Gesprächen finden sie heraus, wo ihre Klient:innen stehen und warum eine reguläre Beschäftigung bisher nicht möglich war. Für Migrant:innen wird bei Bedarf Deutschunterricht angeboten. Die Arbeitszeiten sind flexibel, von 20 bis zu 30 Stunden. „Wer dieses Maximum schafft, hat gute Chancen, auf dem freien Arbeitsmarkt zu bestehen“, weiß die Einrichtungsleiterin. Häufiger führe der Weg in einen anderen sozial-ökonomischen Betrieb.

Einen Raum weiter brummt die Bohrmaschine. Eine der Arbeiter:innen hat daran einen Stab mit Perlen fixiert. Während dieser sich dreht, streicht sie konzentriert wasserlöslichen, ungiftigen Lack in kräftigen Farben auf das Holz. Eine Tätigkeit, die auch im Sitzen möglich ist. Die Perlen werden einmal zu einem pädagogischen Spielzeug, das Erstklässler:innen dabei hilft, den Zahlenraum zu erfassen. Schul- und Lernmaterialien wie dieses seien eine, gute stabile Einnahmequelle für den sozialökonomischen Betrieb, verrät Schwarzacher. Und: „Uns ist wichtig, dass alle hier verschiedene Dinge ausprobieren, dass Frauen in der Holzwerkstatt arbeiten, Männer nähen.“

In der Holzwerkstatt steht ein anderer Mitarbeiter gerade vor einem Kasten, schleift ihn fein säuberlich ab. „Man glaubt gar nicht, welche emotionale Bindung manche zu einem Erbstück der Tante haben“, sagt Schwarzacher. Positiver Nebeneffekt solcher Auftragsarbeiten: Es entstehen nachhaltige, ressourcenschonende Unikate. Auf der Werkbank warten Sessel, die schon bessere Zeiten gesehen haben: abgesplittertes Holz, Macken, ein wenig wackelig auf den Beinen. Während die Arbeiter:innen den ausrangierten Möbeln neues Leben einhauchen, werden auch sie selbst neu „geformt“: die Werkstücke so weit herrichten, dass sie gut stehen, abschleifen, lackieren – die meisten der Tätigkeiten verlangen keine großartige handwerkliche Ausbildung. Aber darum gehe es auch gar nicht, erklärt Schwarzacher. „Unsere Aufgabe hier ist es, durch die Beschäftigung und Kontakt mit dem Team wieder Struktur, Regelmäßigkeit und Sinn in das Leben unserer Klient:innen zu bringen.“ Diese Mischung ist es, was die studierte Psychologin reizt: das handwerkliche Tun und die Sozialarbeit: „Das Schöne am Handwerk ist, dass die Leute ein unmittelbares Feedback bekommen. Du siehst selbst, wenn du einen Fehler gemacht hast und erfährst Befriedigung, Sinn und Selbstwirksamkeit, wenn die Kundschaft dann das fertige Produkt abholt. Das taugt mir“, schwärmt sie.

In den Werkstätten der Lebensarbeit entsteht Vielfältiges. Das zeigt auch ein Blick in die Tao-Boutique gleich nebenan oder auf die „willhaben“-Seite der Lebensarbeit: Gerade fertigt eine Iranerin, die Teppichdesign studiert hat, filigrane Kalligrafie-Bilder, aus alten Büchern entstehen in ruhiger, konzentrierter Arbeit Papierkunstwerke, frische Farben machen Kommoden und Stühle zum Hingucker. „Das ist aufwändige, liebevolle Detailarbeit, deren Arbeitsstunden man gar nicht abgelten könnte“, betont die Einrichtungsleiterin. „Einmal hatten wir einen Schreibtisch, an dem jede Schublade anders lackiert war. Nicht einmal einen Tag wartete er im Geschäft auf ein neues Zuhause. Eine schöne Bestätigung für unsere Leute.“

Gefördert wird das Projekt Lebensarbeit vom Land Salzburg. Schwarzacher ist froh, dass das Bewusstsein dafür da ist, dass es Einrichtungen wie die ihre dringend braucht: „Die Sozialunterstützung ist das letzte Netz, in dem Menschen aufgefangen werden. Jeden Monat aufs Sozialamt, das wenige Geld abholen, nicht gebraucht werden – das zehrt. Viele schämen sich, isolieren sich. Das macht krank, physisch und psychisch. So gut wie alle, die bei uns sind, wollen aus dieser Situation herauskommen.“

 

INFO

Lebensarbeit, Soziale Arbeit gGmbH
Teisenberggasse 25 E
5020 Salzburg
Tel. 0662 / 42 38 48
www.soziale-arbeit.at/lebensarbeit