
Im Rhythmus der Welt
Wie gelingt ein gutes Leben in einer Zeit, die oft zu schnell, zu laut, zu viel ist? Nicht das Lauteste zählt, sondern das, was zurückklingt. Hartmut Rosa über die Kunst, in Beziehung zur Welt zu leben, und warum darin der Schlüssel zum Glück liegt. Resonanz als feines Band, das uns trägt, berührt und verbindet.
Titelinterview mit Hartmut Rosa
von Konstantia Url-Praher
Herr Rosa, was meinen Sie genau mit Resonanz? Wann haben Sie zuletzt einen Moment echter Resonanz erlebt – einen, der nachhallt?
Hartmut Rosa: Resonanz bedeutet, in Beziehung zu sein. Sie entsteht, wenn wir mit etwas in Kontakt treten. Das kann ein Mensch sein, Musik oder eine Landschaft, ein Text, ein Gedanke. Wichtig ist, dass wir der Situation nicht gegenüberstehen, sondern dass dabei etwas in uns in Schwingung gerät. Resonanz hat vier Momente: Erstens, etwas spricht mich an, berührt mich, ruft eine Reaktion hervor. Das Zweite ist, ich bleibe nicht passiv, ich antworte auf dieses Ansprechen: werde aktiv, fühle mich lebendig. Das Dritte ist, ich kann es nicht bewusst herbeiführen, planen, erzwingen oder kaufen. Und als Viertes verändert es mich, ich gehe anders aus der Begegnung hervor, als ich hineingegangen bin. Und wenn Sie mich jetzt fragen, was fällt mir ein: Ich war kürzlich mit meinem Patenkind und seinem Vater auf einem Berg in der Schweiz, und das war so eine intensive Naturerfahrung. Zuerst war es schön und heiß, dann kam aber ein Gewitter und wir mussten über Schneefelder gehen, Blitze donnerten neben uns herunter. Das heißt auch, Resonanz muss nicht unbedingt Schönheit und Harmonie bedeuten. Es war ein kraftvoller Augenblick der Naturverbundenheit und Lebendigkeit.
Sie beschreiben Resonanz als ein Beziehungsphänomen, das sich grundsätzlich der Machbarkeit und Verfügbarkeit entzieht. Gleichzeitig fragen sich viele Menschen, ob es nicht doch Wege gibt, Resonanz gezielt zu fördern – etwa durch bestimmte Lebenshaltungen, Rituale oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Lässt sich Resonanz in gewissem Sinne erarbeiten oder widerspricht das dem Kern Ihrer Theorie?
Hartmut Rosa: Darauf hinarbeiten geht mir zu weit. Was ich aber sehr wohl machen kann, ist, an meiner Resonanzfähigkeit zu arbeiten. Das ist die Voraussetzung, um in Resonanz treten zu können. Ich nenne es Anrufbarkeit, also fähig und bereit zu sein, auf etwas in der Welt zu antworten, weil man sich davon berührt oder ergriffen fühlt. Von einer Begegnung, von einem Menschen, von einer Katze oder vielleicht einem Hund, einer Landschaft, von Musik, von einer Idee oder einem Bild. Diese Anrufbarkeit ist nicht...