Gemeinschaft im Alter erleben

 

Lebensqualität im Alter bedeutet vor allem, körperlich und geistig fit zu sein und so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben zu können. Zu all dem braucht es aber auch regelmäßige soziale Kontakte. Die Freiwilligen-Netzwerke Diakoniewerk in Salzburg leisten dazu seit 15 Jahren mit ihrem kostenlosen Besuchsdienst einen wertvollen Beitrag. Unsere Autorin war bei einem dieser Besuche dabei.

von Eva Daspelgruber

„39 – aber umgekehrt“, sagt Matha und lacht, als ich sie nach ihrem Alter frage. Mit am Tisch sitzt auch Manuela, eine Freiwillige, die jeden Freitag zum „Schatzn“ vorbeikommt. Beide Frauen freuen sich auf den wöchentlichen Termin. Manuela, weil sie in ihrer Pension ein erfüllendes Ehrenamt gefunden hat, und Matha – die eigentlich Mathilde heißt –, weil sie allein lebt und der Besuch eine willkommene Abwechslung ist.

„Mathas Anzeige hat mich sofort angesprochen“, erzählt Manuela. Sie hatte online die Anzeige bei der Freiwilligenbörse gelesen und gedacht, dass sie das ausprobieren möchte. Die erste Anlaufstelle für am Besuchsdienst Interessierte sind Monika Rendl und ihre Kollegin Michaela Wallmann vom Diakoniewerk Salzburg. Sie laden zu einem Erstgespräch ein und klären die individuellen Wünsche der zukünftigen Freiwilligen ab. Auf der anderen Seite besuchen sie Senior:innen, die sich einen Besuchsdienst wünschen, in ihrem Zuhause und fragen auch dort nach, was sich die ältere Person von einer Besucherin oder einem Besucher erwartet.

Dann, so Monika Rendl, versucht sie, ein passendes Paar zu finden, und vereinbart einen ersten gemeinsamen Termin im Zuhause der Senioren. Dort können sich beide Seiten „beschnuppern“ und den nächsten Besuch vereinbaren. Meistens ist das der Start von regelmäßigen Treffen. Dass es nicht passt, passiert eher selten, meint Monika Rendl. Sie hat durch jahrelange Praxis schon viel Gespür dafür entwickelt, welche Menschen gut miteinander können. Aber sollte eine Seite kein gutes Gefühl haben, ist das auch kein Problem, dann wird weitergesucht.

Bei Matha und Manuela passte die Chemie von Anfang an, sie treffen sich seit mittlerweile zwei Jahren. Wenn die ältere Dame allein ist, strickt sie viel oder musiziert. Sie lernte schon im Volksschulalter Zither und brachte sich Gitarre und Harmonika selbst bei. Mit gerade einmal 16 Jahren stand sie zum ersten Mal auf der Bühne, viele Jahre als Musikerin, Sängerin und Theaterdarstellerin folgten. Es war nicht so einfach, ihr Hobby neben der Familie auszuüben, aber mit der Unterstützung ihres Umfeldes gelang es gut. Von Zeit zu Zeit legt sie eine der Kassetten ein und lauscht gemeinsam mit Manuela ihren Auftritten aus längst vergangenen Zeiten.

So, genug getratscht – jetzt steht eine Runde „Mensch ärgere dich nicht“ auf dem Programm. Die Seniorin manövriert geschickt die Kegel über das Spielfeld, die Besucherin Manuela erzählt, dass sie es genießt, Zeit für ihr Gegenüber zu haben. Sie arbeitete bis zu ihrer Pensionierung in der Pflege. Dort kam wegen der zu erledigenden Aufgaben oft die Zeit für einzelne Senior:innen zu kurz. Neben Manuela gibt es noch rund 130 andere Freiwillige, die insgesamt 140 Seniorinnen und Senioren besuchen. Im Jahr 2024 leisteten sie zusammen fast 7.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit. Die oder den „typische:n Freiwillige:n“ gibt es nicht. Die Jüngste ist derzeit 16 Jahre alt, die Älteste 85 und damit sogar älter als die Dame, die sie besucht. Neben vielen Pensionist:innen gehören auch Berufstätige, Studierende oder Asylwerber:innen zur Gruppe der Freiwilligen.

Manuela erzählt, dass oft der Fernseher läuft, wenn sie kommt. Dann bespricht sie mit Matha das Tagesgeschehen. „Sie weiß meistens mehr als ich“, sagt die Besucherin lachend. Inzwischen hat Matha das Spiel gewonnen und Manuela öffnet die nächste Schachtel. Erneut verblüfft die ältere Dame mit ihren Rechenkünsten. Die beiden wirken sehr vertraut und man sieht, wie sehr sie sich gegenseitig schätzen.

Wichtig ist Monika Rendl vom Diakoniewerk Salzburg zu betonen, dass beim Besuchsdienst die Beziehung im Vordergrund steht. Die Freiwilligen übernehmen keine hauswirtschaftlichen oder pflegerischen Tätigkeiten, es geht darum, in Gesellschaft zu sein und Freude daran zu haben – sei es durch Gespräche, Spiele, Spaziergänge oder Ausflüge. Was gemacht wird, entscheiden Freiwillige und Senior:innen einvernehmlich. So gibt es zum Beispiel in Salzburg eine blinde Frau, die jemanden suchte, der ihr vorliest. Oder einen Mann mit Demenz, dessen Frau zur Entlastung eine Begleitung für Spaziergänge wünschte. Ein Freiwilliger aus Marokko ist nun regelmäßig mit ihrem Ehemann unterwegs. Es stört ihn nicht, dass der ältere Mann nicht mehr sprechen kann.

„Jeder hat seinen Rucksack“, sagt Matha leicht nachdenklich, „aber jammern tu ich nicht. Das Leben macht dir niemand schön, das musst du dir selbst machen.“ Eine gewisse Zufriedenheit sei unerlässlich für ein gutes Leben, ergänzt sie. Sie hatte es in der Vergangenheit oft schwer, erzählt von einer Krankheit, die sie lange plagte. Die Freude am Leben blieb ihr trotz allem und es verwundert nicht, dass Manuela so gerne ihre Zeit mit Matha verbringt.

Neben einer sinnvollen Tätigkeit gibt es noch weitere Vorteile für die Freiwilligen, die während ihres Einsatzes unfall- und haftpflichtversichert sind. Sie erhalten Einkaufsvergünstigungen und die Möglichkeit zur Fortbildung. Hier hat sich der modular aufgebaute „Werkzeugkoffer für Freiwillige“ als Bildungsangebot bewährt. Jährlich stehen sechs bis sieben einzeln buchbare und kostenlose Seminare zur Verfügung, die nicht nur für den Besuchsdienst relevant sind, sondern auch der persönlichen Weiterentwicklung dienen. Ein besonderes Highlight ist jedes Jahr die Adventfeier, wo Freiwillige gemeinsam mit den Senior:innen zu Musik, Kaffee und Kuchen eingeladen werden – heuer verbunden mit dem 15-Jahr-Jubiläum des Besuchsdienstes.

Ich verabschiede mich von Matha und Manuela und hoffe, dass die beiden noch viele schöne gemeinsame Stunden verbringen werden. Stunden, die wechselseitig bereichern.