
Eine Frau für 6.000 Menschen
Es gibt nichts, was sie sich nicht zutraut – vorausgesetzt es hat mit Kultur zu tun. Theaterenthusiastin Elfi Schweiger denkt mit ihren 73 Jahren nicht daran, sich von ihren Visionen abbringen zu lassen. Daher stemmt sie mit viel Leidenschaft und Engagement das Riesen-Chormusical „Martin Luther King“ mit 1.200 Sängerinnen und Sängern in der Salzburg Arena. Die ehemalige Mathematikprofessorin erzählt im Apropos-Gespräch von Selbstvertrauen, Gänsehautmomenten und einer einzigen schlaflosen Nacht.
Titelinterview mit Theaterenthusiastin Elfi Schweiger
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Was trauen Sie sich?
Elfi Schweiger: Fast alles im Leben, was an mich herangetragen wird. Ob das früher Probleme in der Schule während meiner aktiven Zeit als Mathematik- und Ethiklehrerin waren oder ob es sich um Ideen handelt für Projekte, die mir Künstler und Künstlerinnen nahebringen – ich hatte nie das Gefühl, dass ich an meine Grenzen stoße, weil ich nicht gut genug dafür wäre.
Woher nehmen Sie Ihr Selbstvertrauen?
Elfi Schweiger: Ich glaube, das kommt aus mir selbst heraus. Wann immer ich mich auf eine Herausforderung einlasse, versuche ich mich gut vorzubereiten und dazuzulernen.
Wenn ich merke, dass ich andere Menschen ermutigen, mitziehen und ihnen Glücksmomente schenken kann – und das gelingt mir fast immer – dann stellt sich Selbstvertrauen ein.
Sie stemmen als Einzelperson ein Monsterprojekt. Am 1. April führen Sie das Musical „Martin Luther King“ in der Salzburg Arena auf mit 820 Sänger*innen und 250 Kindern neben professionellen Solisten, Musikern und Regisseur. Auch der Apropos-Chor wirkt mit. Wie ist es dazu gekommen?
Elfi Schweiger: Regisseur Andreas Gergen, den ich sehr schätze, hat mich zum Martin Luther King Musical nach Essen gelockt, bei dem diese unglaublich große Zahl an Chor-Sängerinnen und Sängern aufgetreten ist. Als ich dann erlebt habe, wie 1.500 Menschen auf der Bühne „We shall overcome“ singen, während 5.000 Menschen zuhören, entstand eine Schwingung im Raum, die magisch war. Es geht einfach unter die Haut, wenn einem bewusst wird, dass Martin Luther King seiner Bestimmung gefolgt ist, obwohl er gewusst hat, dass er dafür mit seinem Leben bezahlen wird. Es war ein Phänomen, weil fast 7.000 Menschen im Saal genau dieses Gänsehautgefühl gespürt haben: Jetzt passiert etwas, etwas hat sich in mir und auch in den anderen verändert.
Wann haben Sie diesen Gänsehautmoment in Essen erlebt?
Elfi Schweiger: Am 9. Februar 2019. Wir dachten uns sofort: Eigentlich muss man das Stück nach Salzburg bringen. Ich hatte zwar bislang noch nie mit Chören zu tun gehabt, aber zurück in Salzburg war meine erste Anlaufstelle Frau Gordon-Tröger von der Kulturabteilung der Stadt. Diese meinte: „Wow, das ist aber ein großes Projekt.“ Und Andreas Gergen meinte zu mir: „Wenn du es schaffst, mache ich dir die Regie“ – was auch der Fall ist.
Worum geht es in dem Musical?
Elfi Schweiger: Es erzählt die Lebensgeschichte von Martin Luther King. Angefangen von seiner Kindheit bis hin zum Busboykott, den Rosa Parks ausgelöst hat, weil sie sich geweigert hatte, als Farbige den Platz für einen Weißen freizumachen. Das war der Beginn der Beteiligung von Martin Luther King in der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Das Musical erzählt auch von seinen Zweifeln. Die wohl wichtigste Szene ist sein Gefängnisaufenthalt, wo er auf einmal das Gefühl bekommt: „Egal, wie stark meine Familie und ich bedroht werden, ich höre nicht auf.“ Er spürt diese innere Kraft, die im Musical von der Figur des Heiligen Geistes verkörpert wird – in Salzburg gesungen von Sandra Pires. Von diesem Moment an hat er die absolute Gewissheit, dass er weitermachen wird und dies seine Bestimmung ist, auch wenn er deshalb sterben wird. Wenn es uns im irdischen Leben gelingt, zu erkennen, was die eigene Bestimmung ist und wofür man auf die Welt gekommen bin, ist das ein Geschenk.
Was ist Ihre Bestimmung?
Elfi Schweiger: Mit jungen Menschen zu arbeiten, ihnen so gut wie möglich ein Vorbild zu sein, ihnen Wissen beizubringen und sie auf ihrem Lebensweg ein Stück weit zu begleiten so gut ich kann.
Sie haben in Österreich und Deutschland Projektchöre für das Musical gegründet. Wie einfach oder wie schwer war das?
Elfi Schweiger: Ganz ehrlich, ich hätte es mir viel leichter vorgestellt. Nämlich so: „Ich finde in Salzburg 25 Chöre, die jeweils 50 Mitglieder haben. Diese proben und am Ende kommen wir zu >> einer großen Probe zusammen und singen.“ So wird es teilweise in Deutschland gemacht, in Österreich hat das leider nicht funktioniert. Gottseidank haben sich gleich zu Beginn Chöre aus Bayern gefunden, sodass ich nicht entmutigt aufgegeben habe. Es sind dann nach und nach in ganz Österreich wie auch in Süddeutschland zahlreiche Projektchöre entstanden. Viele Medien – vor allem die Bezirksblätter – haben meine Musical-Idee aufgegriffen und immer wieder darüber berichtet. Das Ergebnis sind mehr als 800 sangesfreudige Einzelpersonen, die sich mit großer Begeisterung auf den 1. April vorbereiten. Der Projektchor Stadt Salzburg zählt mehr als 200 Mitglieder, geleitet von den zwei jungen Chorleiterinnen Alexandra Helldorf und Kristina Pernat, die beide an der Universität Mozarteum Chorleitung studiert haben. In Summe sind es jetzt 17 Projektchöre und zehn bestehende Chöre. Ich habe auch großartige Solisten gefunden mit Sandra Pires, Martin Berger vom Musical „I am from Austria“ oder Benjamin Oeser, den Frank’n‘furter aus der „Rocky Horror Picture Show“.
Sie sind also eine One woman show?
Elfi Schweiger: Ich initiiere, motiviere und organisiere viel, aber natürlich fand ich auch Unterstützung. Der Chorverband hat meine Musical-Idee an alle Chöre ausgesandt. Der Intendant des Salzburger Landestheaters Carl Philip von Maldeghem unterstützt das Projekt, indem er uns Proberäume und ein Klavier zur Verfügung stellt und für mich der wichtigste Ansprechpartner ist. Das Dekanat der evangelischen Kirche Traunstein hat sich bereit erklärt, bei der Bildung von zwei Projektchören zu helfen und hat 200 Sängerinnen und Sänger darin zusammengefasst. Mir war es auch wichtig, dass im Gegensatz zu Deutschland auch Kinder mitsingen. Die Volksschullehrerinnen und Eltern haben sich von Beginn an gleich sehr engagiert, allen voran die Volksschule Parsch, deren gesamter Lehrkörper involviert ist und einen Schulchor mit mehr als 60 Kindern für das Musical vorbereitet. Es werden 6.000 Menschen in der Salzburg Arena sein, 1.200 auf der Bühne und 4.800 als Zuschauer.