
„Die Geschichten hinter den Gesichtern sehen“
Esther Krautner und Emma Nowak sind Kochlehrlinge. Gemeinsam mit 17 weiteren Lehrlingen haben sie im Hotel Sacher einen Perspektivenwechsel gestartet. Denn: Straßenzeitung trifft auf Luxushotel. Mit einer Fotoausstellung holen sie 15 unserer Verkäuferinnen und Verkäufer vor den Vorhang und in die Sacher-Bar.
Titelinterview mit Emma Nowak und Esther Krautner
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Ihr seid Lehrlinge im Hotel Sacher und hattet die Idee, eurer Geschäftsleitung eine Zusammenarbeit mit uns vorzuschlagen. Wieso gerade mit einer Straßenzeitung?
Esther Krautner: Wir haben die Aufgabenstellung bekommen, uns ein Lehrlingsprojekt zu überlegen, das einen sozialen Zweck hat. Voriges Jahr haben Lehrlinge Kekse gebacken und verkauft. Das war uns irgendwie zu wenig.
Emma Nowak: Als Lehrlinge in einem Luxushotel wollten wir zudem etwas ansprechen, auf das viele gar nicht kommen würden.
Esther Krautner: Da ich öfter mit den Apropos-Verkäufern in der Stadt quatsche – wobei ich diejenige bin, die dabei mehr redet als sie (lacht) –, habe ich mir gedacht, es wäre schön, sie näher kennenzulernen und ihnen auch die Möglichkeit zu geben, zu zeigen, wer sie sind. Viele Passanten haben ein Bild im Kopf, das negativ ist in Bezug auf arme Menschen, und ich finde das schade. Denn dahinter steckt eine Person, die ein eigenes Leben und eine eigene Geschichte hat. Wir haben daher nach Absprache mit den anderen 17 Lehrlingen unserer Geschäftsführung vorgeschlagen, für einen Abend Verkäufer:innen einzuladen, ihnen eine Bühne für ihre Lebensgeschichten zu geben und in den Austausch mit Sacher-Gästen zu kommen.
Emma Nowak: Der Küchenchef, der uns beim Projekt direkt betreut, hat gesagt, wenn wir das machen möchten, dann müssen wir etwas Großes kreieren, das einen Nachhall hat. So ist die Idee einer Ausstellung in der Sacher-Bar entstanden – inklusive Vernissage im Wintergarten für 250 Gäste mit Lesungen. Denn wenn du deinen Freunden sagen kannst, dass du im Hotel Sacher gewesen bist und Geschichten der Straße gesehen und gehört hast, bleibt das länger in Erinnerung.
Die Sacher-Geschäftsführung hatte keine Einwände, Luxus mit Obdachlosigkeit und Armut zusammenzubringen?
Esther Krautner: Nein, im Gegenteil. Sie war sehr begeistert und auch berührt, dass wir auf diese Idee gekommen sind. Sie wollte auch, dass wir einen Teil der Ausstellung vor dem Hotel aufbauen, sodass die Leute neugierig werden und sich eingeladen fühlen, sich die Ausstellung näher anzusehen, ohne sich jedoch bedrängt zu fühlen.
Emma Nowak: Das war zu Beginn die größte Herausforderung: Wie schaffen wir es, dass es für unsere...