Psychologie der Gemütlichkeit

 

von Sandra Bernhofer

Was entscheidet darüber, ob wir uns an einem Ort zu Hause fühlen? Architektur? Farben? Möbel? Oder doch etwas Tieferes – das Zusammenspiel von Raum und Psyche? Das Institut für Wohn- und Architekturpsychologie hilft dabei, den eigenen Bedürfnissen auf die Spur zu kommen.

Die einen brauchen es üppig: Blickfang-Möbel in ungewöhnlichen Formen, knallige Farben kombiniert mit Mustern, Retro-Fotos und Objekte mit persönlicher Geschichte. Dopamine Decor heißt dieser Trend, an dem man in den sozialen Medien aktuell kaum vorbeikommt. Räume sollen diesem Konzept zufolge nicht nur schön sein, sie sollen vor positiver Energie nur so sprühen. Je opulenter, desto mehr Glückshormone werden im Gehirn freigesetzt. Andere wiederum legen den Fokus in der Einrichtung ihrer Wohnung auf Sichtbeton, monochrome Töne und maximalen Minimalismus.

Er selbst sei kein großer Fan von Modeströmungen, erklärt Harald Deinsberger-Deinsweger vom Grazer Institut für Wohn- und Architekturpsychologie. Denn über Geschmack lässt sich streiten, über menschliche Grundbedürfnisse nicht. Egal, ob wir nun in einem Loft in Berlin, in einem Bauernhaus im Gebirge oder in einer mobiliartechnisch zusammenimprovisierten Wohngemeinschaft leben, wenn es um Geborgenheit und Wohlbefinden geht, folgt unser Gehirn ähnlichen Regeln. Und wer Einrichtungstrends blind folgt, riskiert, sich in einer Wohnung wiederzufinden, die perfekt für Instagram ist, aber nicht für das eigene Nervenkostüm.

In der Hirnforschung gibt es viele Erkenntnisse, die noch nicht den Weg in die Baupraxis gefunden haben, weiß Deinsberger-Deinsweger, der sich in seinem interdisziplinären Doktorat mit den Themen Wohnbau und Psychologie auseinandergesetzt hat. Das sei für ihn auch der Grund gewesen, 2014 gemeinsam mit seinem Kollegen Herbert Reichl das private, selbst finanzierte Institut für Wohn- und Architekturpsychologie zu gründen. „Wir wollen dazu beitragen, dass gebaute Umwelten humaner und sozialer werden, als sie es derzeit in den meisten Fällen sind.“ Zu den Klient:innen, die die beiden beraten, gehören große Bauträger genauso wie kleine Häuslbauer:innen.

Wohnpsychologie ist ein Werkzeugkasten für mehr Lebensqualität. Wer seine Wohnung nicht nur schön, sondern psychologisch klug gestaltet, schafft Räume, die tragen, schützen und uns einfach ankommen lassen. Ganz zentral ist für Deinsberger-Deinsweger „der Blick in einen reichhaltigen Garten“. „Die Natur wirkt auf den Menschen nachweislich gleichzeitig entspannend und anregend.“ Das sorge auch dafür, dass ein an sich reduzierter Einrichtungsstil wie Japandi – eine Mischung aus japanisch und skandinavisch – funktioniere, erklärt der Wohnpsychologe. „Dieses sogenannte Biophilic Design ist nicht nur ein Stil, sondern ein Bedürfnis.“ Kein Außenbereich? Macht nichts – die Natur lässt sich mit einfachen Mitteln in die eigenen vier Wände holen: Holzfußboden statt versiegelten Parketts, Stoffvorhänge statt Plastikrollos, Struktur statt glattgespachtelter Wände, ein paar Zimmerpflanzen oder Landschaftsbilder – schon verändert sich die Stimmung der Bewohner:innen messbar.