
„Das Aha reißt mich aus dem Täglichen heraus“
Zwei Menschen haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren intensiv mit uns als Straßenzeitung auseinandergesetzt: Brigitta Niel und Jörg Eberhard von der Werbeagentur „Die fliegenden Fische“. Mit dieser Ausgabe startet eine Kampagne, die über zwei Jahre laufen wird. Im Apropos-Gespräch erzählen die beiden Werber über Aha-Erlebnisse, den Sinn von Werbung und was ihnen Hoffnung gibt.
Titelinterview mit Jörg Eberhard & Brigitta Niel
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Was ist für Sie ein Aha-Erlebnis?
Jörg Eberhard: Eine Information, die etwas im Kopf oder im Herzen bewirkt und bei der man „Wow“ sagt. Letztes Jahr war ich im Seniorenheim Hellbrunn. Auf einmal kommt eine alte Frau auf mich zu, lächelt mich an, umarmt mich und streichelt mir über den Kopf. Dieser Ausdruck von Menschlichkeit war für mich ein unglaublich schöner Moment.
Brigitta Niel: Aha heißt, etwas Neues zu lernen. Ein „Aha, so ist das“. Das ist der Mehrwert vom Alltag. Es hat für mich immer mit Entwicklung, mit einem Weiterkommen, mit etwas Neuem zu tun. Etwas Überraschendes, das mich aus dem Alltäglichen herausreißt. Wenn ich mir vorstelle, ich müsste ein Leben ohne Aha-Erlebnisse führen, dann wäre das kein Leben – ich wäre nicht mehr lebendig.
Was waren die größten Aha-Erlebnisse in Ihrem Leben?
Brigitta Niel: Bei mir dauern Entwicklungen immer sehr lange und dann kommt auf einmal das „Zack“. Für mich sind die großen Richtungsentscheidungen die wirklichen Aha-Erlebnisse. Aber sie sind nur die Summe der vielen kleinen Aha-Erlebnisse über einen längeren Zeitraum hinweg, die dann an einem Punkt kulminieren.
Zum Beispiel?
Brigitta Niel: Die großen Berufsentscheidungen. Da, wo sich die Tätigkeit hin zum Beruf entwickelt hat. Ich habe Verschiedenes ausprobiert, bevor ich in die Werbung gegangen bin, Richtung Kunst, Handwerk und Kommunikation. Durch dieses Ausprobieren kam dann das Aha-Erlebnis: Das Feld, in dem ich diese Stränge am besten in der Realität bündeln kann, ist die Werbung. Obwohl ich nicht so ein tolles Bild von der Werbung an sich hatte.
Was ist Ihr Bild der Werbung?
Brigitta Niel: Für mich gibt es zwei Schienen: eine konsumorientierte, also Verkaufswerbung. Die andere, die mich interessiert, ist erkenntnisorientiert: dort, wo es um existenzielle und essenzielle Informationen geht, die es zu vermitteln gilt, um Verhalten, freies Denken oder Freiheit.
Wie schaut das bei Ihnen aus, Herr Eberhard?
Jörg Eberhard: Wir zwei sind sehr unterschiedlich. Meine Aha-Erlebnisse sind spontan, sie geschehen eher kurzfristig, sind sehr intensiv, beeinflussen mich in den Folgetätigkeiten, inspirieren mich, aber lassen sehr...