 
„Ich möchte dieses Land besser machen für uns alle“
Melisa Erkurt (29) sorgt seit vergangenem Jahr mit ihrem Buch „Generation Haram“ für Aufsehen. Sie schildert darin ihre Erfahrungen als Schülerin und Lehrerin mit Migrationsgeschichte und zeigt auf, wie unser Bildungssystem Menschen ihrer Biografie zu Verlierer*innen macht. Als ehemalige ORF-Journalistin hat sie nun ein neues, inklusives Medienprojekt gestartet, das alle jungen Menschen erreichen soll. Gemeinsam mit ihnen will sie Journalismus neu definieren.
Titelinterview mit Melisa Erkurt
von Monika Pink-Rank
Frau Erkurt, was bedeutet zugänglich für Sie?
Melisa Erkurt: Zugänglich machen – das ist mein Motto oder auch mein Ziel für alles, was ich tue. Ich habe gemerkt, wie wenig Bereiche in Österreich für Menschen mit meiner Biografie zugänglich sind. Ich möchte nicht, dass andere das erleben müssen – das Gefühl, sie wären nicht gut genug oder nicht österreichisch genug oder was auch immer nicht genug, um irgendwo hineinzukommen.
Welche Bereiche sprechen Sie da konkret an?
Melisa Erkurt: Alle gut bezahlten Jobs, die Universitäten, die Fachhochschulen, die Gymnasien zum Teil auch. Da steht natürlich kein Türsteher davor und sagt „Da kommt ihr nicht rein!“. Der Türsteher ist in diesem Fall die strukturelle oder institutionelle Diskriminierung. Und die läuft so ab, dass die Betroffenen sie gar nicht sehen und glauben, es liegt an ihnen, sie wären dumm und selbst schuld. Das ist ein Teufelskreis, weil es am Selbstbewusstsein kratzt und sie sich dann erst gar nicht trauen, diesen Ort zu betreten, den andere aus der Familie vor einem nicht betreten haben. Sie waren in Ihrer Familie die Erste, die solche Orte betreten hat.
Gibt es Menschen, die Ihnen da besondere Zugänge eröffnet haben?
Melisa Erkurt: Auf jeden Fall! Als wir nach Österreich geflüchtet sind, bekam ich von Freiwilligen meine erste Puppe geschenkt – die haben mir wieder Zugang zu meiner Kindheit gegeben. Dann meine Volksschullehrerin, weil sie gemeint hat, ich soll ins Gymnasium. Beruflich war es Simon Kravagna vom „biber“, ohne ihn wäre ich nicht im Journalismus gelandet. Jetzt sind es die Jugendlichen, die mir den Zugang zu so vielen Themen geben und mir ermöglichen, diese auch anders zu sehen.
Welche Zugänge können Sie wiederum mit Ihren Projekten anderen bieten?
Melisa Erkurt: Wir wissen, dass gerade der Journalismus Junge und Menschen mit Migrationsbiografie nicht erreicht. Ich finde aber, es ist die Aufgabe des Journalismus, alle zu erreichen und zugänglich zu sein. Vor allem mit meinem neuen Projekt, der „Chefredaktion“ auf Instagram, möchte ich den Zugang für alle öffnen, jeder...