
Gemeinsam
Irgendwie klingt die Lebensgeschichte des 38-jährigen Ali Mahlodji wie der amerikanische Traum vom Tellerwäscher zum Millionär. Nur mit dem Unterschied, dass er in Österreich spielt. Als Kleinkind mit seinen Eltern aus dem Iran geflüchtet, gründet er nach einem bewegten beruflichen Auf und Ab die erfolgreiche Berufsorientierungsplattform whatchado und erzählt nun als internationaler Redner und EU-Jugendbotschafter, worauf es im Leben ankommt.
Titelinterview mit Ali Mahlodji
von Chefredakteurin Michaela Gründler
Was bedeutet für Sie gemeinsam?
Ali Mahlodji: Es ist die Urform des Menschen. Ein Mensch ist zwar aufgrund seines Gehirns befähigt, zum Mond zu fliegen, aber wenn du ihn nach der Geburt allein lässt, überlebt er keine Woche. Er braucht die Gemeinschaft. Schon immer haben sich Menschen zusammengeschlossen, um gemeinsam zu sammeln und zu jagen – einer alleine hätte keine Chance gehabt. Das vergessen wir heutzutage immer wieder, weil sich mittlerweile eine Haltung der Entfremdung entwickelt hat.
Spätestens jetzt ist das Miteinander so wichtig, weil wir die großen Probleme unserer Welt nicht alleine lösen werden. Auch nicht als Nationalstaaten. Das zeigt uns gerade Corona. Ich kann zwar eine Lösung auf nationaler Ebene machen, nur dem Virus ist das egal. Dieses Gemeinschaftsdenken muss jetzt in unsere Köpfe kommen. Bei Corona hat man gemerkt: Wenn Angst da ist vor dem Tod, halten plötzlich alle zusammen. Ich würde mir wünschen, dass es nicht immer erst die Todesangst ist, die uns zeigt, zu welcher Solidarität wir fähig sind.
Wie lässt sich am besten ein Gemeinschaftsgefühl herstellen?
Ali Mahlodji: Indem man bei sich selbst anfängt. Wie gehe ich mit meinem Nachbarn um? Was erzähle ich einem Kind über Leute, die eine rechtsradikale Partei wählen? Sage ich: „Das sind alles Vollidioten!“, oder sage ich: „Die sind wahrscheinlich so aufgewachsen, dass das in ihrem Umfeld die einzige richtige Antwort ist.“? Eine offene Haltung vorzuleben, ohne zu verurteilen, ist der beste Hebel für ein Miteinander. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Dennoch glaube ich an die Wirksamkeit einer Vorbildfunktion. Wenn ich von Bürgermeistern für einen Vortrag eingeladen werde, sage ich oft: Ich möchte die ganze Gesellschaft dabei haben – die Jugendlichen, die Eltern, die Großeltern, die Lehrer, die Unternehmer … Dann mache ich ein paar Übungen und plötzlich merken sie: Da sind ganz viele Schätze, die ich von den anderen lernen kann – und es entsteht eine Verbindung untereinander.
Was ist allen Menschen gemeinsam?
Ali Mahlodji: Wir wollen alle gesehen und geliebt werden. Ein Mensch, den du ignorierst, stirbt...